Schlangenblut (German Edition)
Betäubung. Und auch die wird ein bisschen schmerzhaft, so leid es mir tut.«
Williams klang ganz und gar nicht, als täte ihm irgendwas leid. Er hielt eine Spritze mit einer sehr großen, sehr langen Nadel daran hoch und drückte eine Luftblase heraus. Als Lucy schwindlig wurde, legte sie die Stirn auf die Matratze und schloss die Augen.
»Ich kann Ihnen auch eine Vollnarkose geben, wenn Sie möchten.« Sein Tonfall deutete an, was für ein Schwächling sie wäre, falls sie ja sagte.
Unter anderen Umständen hätte sie um Schmerzmittel gebeten, und was Williams von ihr hielt, war ihr egal. Sie hob den Kopf und verdrängte die Übelkeit, die in ihr aufkam. Wie gut, dass sie sich bereits im Krankenwagen übergeben hatte. »Nein. Ich brauche einen klaren Kopf, damit ich weiterarbeiten kann, sobald Sie fertig sind.«
»Wie Sie wünschen«, erwiderte er beinahe hämisch.
Jetzt zahlte er ihr das Machtspielchen heim, das sie mit ihm getrieben hatte. Mein Gott, warum konnten Männer sich nicht wie erwachsene Menschen benehmen und einfach ihren Job erledigen?
Sie klappte Burroughs’ Handy auf und sah auf dem Display eine SMS von einem gewissen » TV -Girl«, das kundtat, es habe ihr »gefallen, wie du mich die ganze Nacht gefickt hast, wann kommst du wieder?«.
Lucy fluchte, aber das hatte nichts mit der Nadel zu tun, die Williams ihr in den Rücken rammte.
KAPITEL 29
Sonntag, 14.31 Uhr
Eine sehr lange Stunde später schlurfte Lucy durch den Flur. Sie trug einen OP -Kittel ohne BH , ihre eigene Unterwäsche, Schuhe, Socken und Waldens Windjacke. Sie hatte die Freiheit schon vor Augen, als eine Krankenschwester sie einholte, in den Händen ein Klemmbrett und ein Metalltablett.
Walden und Burroughs, die zu beiden Seiten neben ihr standen, sahen zu, wie die Schwester Lucys Entlassungspapiere herunterrasselte, sie dreiundzwanzig verschiedene Formulare in jeweils dreifacher Ausfertigung unterschreiben ließ und ihr ein Fläschchen Tylenol mit Kodein sowie ein Rezept für ein Antibiotikum gab. Erst dann offenbarte sie, was auf dem Tablett lag.
»Fast hätte ich Ihre Tetanus-Auffrischung vergessen, Agent Guardino.«
Die schwarzen Flecken vor Lucys Augen kehrten ebenso schnell wieder wie das Donnern in ihren Ohren. Wären da nicht ihre Kollegen gewesen, hätte sie sich ein paar ordentliche Blähungen gegönnt – ihre übliche Reaktion auf Nadelstiche. Verflucht – warum hatten die sie nicht gleich impfen können, als sie bewusstlos war und sie ihr die Infusionen verpasst hatten?
»Das würde ich nur ungern verpassen«, murmelte sie. Ihr Gesicht war kalt und klamm. Aus den Blicken von Burroughs und Walden schloss sie, dass die beiden mit ihr fühlten.
Sie reichte Walden die Papiere und Fläschchen, zog einen Arm unter Schmerzen aus der Windjacke, schluckte schwer und schwor sich, nicht in Ohnmacht zu fallen.
Die Schwester brachte sie nicht einmal in einen Behandlungsraum, sondern tupfte einfach rasch etwas Alkohol auf Lucys Oberarm, um ihr dann die Nadel hineinzurammen. Sie lächelte auch noch dabei, wie Lucy sah, auch wenn ihr Bild einen Augenblick lang vor ihren Augen verschwamm. Beide Männer wandten schnell den Blick ab. Angsthasen.
Es war bald vorbei, und bevor sie sich’s versah, hatte Lucy ein Bugs-Bunny-Pflaster auf dem Arm, und die Schwester hatte ihr wieder in ihre Jacke geholfen. »So, jetzt können Sie gehen.«
»Wo liegt eigentlich Taylor? Ich möchte ihn gern noch sehen, bevor wir hier verschwinden.«
Walden antwortete. »Da drüben.«
Sie folgte den Männern durch den Flur in die Orthopädie. Ihr Rücken fühlte sich gequetscht, angespannt und geschwollen an, als würde er von einer Angelschnur zusammengehalten. Nylon auf der Haut und etwas, das sich Chromkatgut nannte, was, wie Williams erklärt hatte, ähnlich wie das altmodische Katgut war, nur besser, in ein paar Schichten Muskulatur und Bindegewebe unter der Oberfläche. Eine falsche Bewegung, und seine kunstvolle Naht konnte wieder weit aufreißen.
Ihre Haut fühlte sich so gedehnt an, dass sie sich schon fragte, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, das Metallstück einfach drinzulassen.
Doch dann sah sie Taylor und schätzte sich glücklich.
»Hallo, Lieutenant, haben die Sie auch gekriegt?«, begrüßte er sie mit verengten, unruhigen Pupillen, während er sich eine Gummimaske ans Gesicht hielt und gierig daran saugte. Sein Arm sah schrecklich aus, und seine Finger steckten in einer käfigartigen Vorrichtung, die direkt
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