Schlangenblut (German Edition)
aussieht, als wollten wir seine liebe alte Mutter ins Visier nehmen, wirken wir dadurch auf ihn nur noch inkompetenter und verzweifelter.«
»Also ist er der Held, und dafür müssen wir die Bösen sein?«
»Ganz genau.«
»Trotzdem ist das nur eine Theorie. Und somit noch lange kein Grund, die Integrität des FBI aufs Spiel zu setzen oder Gefahren für Unbeteiligte in Kauf zu nehmen. Tut mir leid, Lucy, aber Sie werden sich wohl etwas anderes ausdenken müssen.«
»Also gut.« Es hatte keinen Sinn, weiter zu streiten. Den Anzugträgern war das Leben eines jungen Mädchens gleichgültig. Sie interessierten sich lediglich dafür, wie gut sie selbst in den Abendnachrichten oder vor Gericht wegkamen. Lucy beendete das Gespräch, als sie gerade in den Parkplatz des Pflegeheims einbog.
Wie gut, dass sie kein Anzugträger war. Sie wusste noch, was hier Priorität hatte, und wenn sie sich sklavisch an die Regeln hielt, half das Ashley Yeager garantiert nicht weiter.
Sie setzte wahrscheinlich ihre Karriere aufs Spiel, aber was sollte sie sonst tun, wenn das Leben eines Mädchens in Gefahr war?
Lucy stieg aus und knallte die Tür so heftig zu, dass der SUV ins Schaukeln geriet. Auf der anderen Seite des Parkplatzes stand im Licht eines hellen Scheinwerfers Cindy Ames, die gerade mit Burroughs drehte.
»Detective Burroughs, können Sie mir erklären, warum diese achtundsiebzig Jahre alte Frau mit schweren Herzproblemen damit rechnen muss, verhaftet zu werden?«
»Lassen Sie mich zunächst einmal betonen, Cindy,«, sagte Burroughs mit einem breiten Lächeln in die Kamera, »dass der Haftbefehl nicht von der Pittsburgher Polizei beantragt wurde, sondern vom FBI .«
»Und von wem im FBI ?«
»Supervisory Special Agent Lucia Guardino. Sie ist für den Fall Ashley Yeager zuständig und reichlich empört darüber, dass Mrs Fletcher entscheidende Informationen bezüglich des Aufenthaltsortes ihres Sohnes nicht preisgeben will. Special Agent Guardino geht davon aus, dass diese Informationen darüber entscheiden könnten, ob Ashley Yeager überlebt oder nicht.«
»Aber Verhaftung um jeden Preis? Alicia Fletcher ist blind und leidet unter Diabetes und Niereninsuffizienz. Wie soll sie eine Festnahme überleben?«
»Agent Guardino hat Vorsorge getroffen, dass Mrs Fletcher in die Krankenstation ihrer Haftanstalt eingewiesen wird. Dort steht sie unter ständiger medizinischer Beobachtung, und ihr wird jede Hilfe zuteil, die sie benötigt.«
Ames rümpfte ihre kecke, perfekt geformte Nase. »Das sieht mir ganz danach aus, als würden die Bundesbehörden jetzt zurückschlagen, weil der Hauptverdächtige im Fall Ashley Yeager einer ihrer eigenen Angestellten ist. Haben Sie nicht auch diesen Eindruck, Detective Burroughs?«
»Ich maße mir nicht an, Spekulationen bezüglich des FBI anzustellen, könnte mir aber gut vorstellen, dass das eventuell auch mit eine Rolle spielt.«
Sie tauschten wissende Blicke, als könnten sie zu dem Thema noch einiges sagen, wenn man sie nur ließe. Nach einer kurzen Pause gab Ames ihrem Kameramann ein Zeichen.
»Also gut, cut ! Das reicht erst mal, wir können immer noch was dranhängen, je nachdem, wie es mit Alicia läuft.« Dann wandte sie sich an Burroughs und legte ihm ihre Hand auf den Arm. »Du bist ein schauspielerisches Naturtalent, Burroughs.«
Lucy trat vor. »Alles klar?«
»Wir sind bereit.« Burroughs löste sich von Ames. »Cindy meint, wir müssten es noch in die 10-Uhr-Nachrichten schaffen. Sie hat dafür gesorgt, dass der Beitrag später auch noch von den anderen Sendern gebracht werden kann.«
»Gut. Dann wäre nur noch eines zu klären.« Lucy streckte ihre offene Hand aus. »Miss Ames, alles Material über mich und meine Familie.«
Cindys Zahnpastalächeln wirkte im grellen Licht geradezu gespenstisch. »Klar doch, ich halte mein Wort.« Sie griff in ihr Fahrzeug, nahm eine DVD vom Vordersitz und klatschte sie Lucy in die Hand.
»Ich habe Sie schon einmal darüber aufgeklärt, welche Folgen es hat, wenn Sie mich oder meine Familie in die Nachrichten bringen. Daran hat sich nichts geändert. Ich lasse Sie verhaften, falls Sie je wieder in unsere Nähe kommen.«
»Oh … aber Nicky war so süß. Hat mir gesagt, ich kann jederzeit wiederkommen.«
Lucy schloss die Hand so fest um die DVD , dass sie sich fast daran schnitt. »Sorgen Sie einfach nur dafür, dass die Sache hier funktioniert. Das Leben eines Mädchens hängt davon ab.«
»Was – kein Dankeschön?«
»Wofür
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