Schlangenblut (German Edition)
zog sie in den Raum. »Wie schön, Sie zu sehen. Ich dachte mir schon, dass ich Sie hier antreffen würde.«
Burroughs stand in der Tür, die Hand auf seiner Waffe, und hätte die Reporterin am liebsten erschossen, bevor sie größeren Schaden anrichten konnte. Cindy warf ihm ein derart triumphierendes Grinsen zu, dass er um ein Haar seine Glock aus dem Holster gezogen hätte.
Cindy hatte sich umgezogen und trug nun einen marineblauen Hosenanzug und eine frische goldfarbene Bluse mit Schalkragen. Sie hatte auch neue Schuhe angezogen und schwankte nicht mehr auf ihrem abgebrochenen Absatz herum wie ein betrunkener Seemann.
»Ich würde nur zu gerne Ashleys Geschichte aus Ihrer Sicht hören«, erklärte Cindy und zog Yeager neben sich auf das kleine Sofa. »Und der Welt von Ihren Erfahrungen berichten, die hoffentlich keine Familie auf der ganzen Welt je wieder machen muss.«
Melissa nickte unsicher, tupfte sich mit den Kosmetiktüchern das Gesicht ab und schaute Burroughs an, als wäre er derjenige, der zu bestimmen hatte, was sie sagen und tun durfte. Gut so. Denn was sie als Letztes brauchen konnten, war, dass Cindy noch mehr Schaden anrichtete und womöglich sogar die Mutter überredete, in ein Exklusivinterview mit Ashley einzuwilligen. Der bloße Gedanke daran, was die skrupellose Reporterin der schwer geschädigten Psyche des Kindes antun könnte, ließ ihn erschaudern.
»Cindy, das ist jetzt wirklich keine gute Idee. Wir sollten Mrs Yeager jetzt ein Stückchen Privatsphäre gönnen.«
»Detective Burroughs, ich glaube nicht, dass Sie das zu entscheiden haben.« Mit einem gierigen Funkeln in den Augen richtete sie den Blick auf Yeager. »Mein Kameramann wartet unten, Sie müssten also nicht einmal das Gebäude verlassen. Sie sind doch sicher daran interessiert, allen Leuten klarzumachen, dass Sie Ashleys Interessen vertreten und sich Sorgen um ihre Genesung machen.«
Melissa riss den Kopf hoch. »Selbstverständlich mache ich mir Sorgen um sie. Wer sagt, dass ich mir keine Sorgen mache? Ich bin schließlich ihre Mutter.«
Cindy tätschelte Melissas Hand. »Sage ich doch. Ich bin ja so froh, dass Sie einverstanden sind.« Dann blickte sie zu Burroughs. »Sie können jetzt gehen, Detective. Den Rest schaffe ich schon allein.«
***
Lucy wachte schlagartig auf und fuhr hoch. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu, und ihr Herz pochte wie verrückt. Sie zwinkerte, um ihre Augen an die Dunkelheit im Krankenzimmer zu gewöhnen, und griff unwillkürlich nach ihrer Waffe, als das Licht anging.
»Keine Bewegung, Lucy.«
Fletcher saß auf Megans Bett und hielt ihr mit einer Hand eine Glock Kaliber 40 an den Kopf. Megan hatte die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen und blickte ihre Mutter flehend an. Erwartete von Lucy, dass sie sie rettete.
»Sie wird schon tot sein, bevor Sie Ihre Kanone erreichen. Ihre zweite Kanone«, lachte Fletcher. »Oder bevor ihr beide aufhören könnt zu schreien.«
Lucy kämpfte gegen die Wahrheit seiner Worte an. Ihr Wunsch, ihm ein faustgroßes Loch ins Gesicht zu blasen, war so groß, dass ihre Finger sich verkrampften. Sie war zu allem bereit, um ihr kleines Mädchen von diesem Ungeheuer zu befreien. Sie fand genug Spucke, um zu schlucken, und blickte ihm in die Augen. »Wo ist Nick?«
»Notfall bei einem Patienten. Dachte er jedenfalls. Ich glaube, er hat Ihnen auf dem Tisch eine Notiz hinterlassen.«
Nick lebte also noch. Lucy spürte, wie sich der Kloß in ihrem Hals ein klein wenig löste – gerade genug, um wieder Atem zu holen. »Was wollen Sie?«
»Wo ist Ashley? Sie haben sie mir weggenommen.« Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Das war gar nicht nett von Ihnen.«
»Ich bezweifle, dass Ashley das auch so sieht.«
»Doch. Sie gehört mir. Ich habe sie gerettet.« Seine Stimme wurde lauter – nicht so laut, dass sie bis in den Flur gedrungen wäre, aber laut genug, um Megan Angst einzujagen.
Sie zuckte zusammen und wich zurück. Er hielt ihr den Lauf seiner Waffe an den Kopf, und sie schloss den Mund, versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken.
»Lassen Sie sie in Ruhe, dann tue ich, was Sie wollen. Bitte lassen Sie sie in Ruhe.« Lucy verstieß gegen alle Regeln des Krisenmanagements und flehte um Megans Leben. Zum Teufel mit den Regeln. Wozu waren sie auch gut, wenn sie ihre Tochter nicht schützen konnten?
»Tatsächlich? Egal, was ich von Ihnen verlange? Ohne Wenn und Aber?«
Lucy klammerte sich an die potentielle Gelegenheit. »Ja,
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