Schlangenblut (German Edition)
dann tot. Und das ist dann alles Ihre Schuld. Nur ich kann sie retten.«
KAPITEL 41
Montag, 2.02 Uhr
Sie trieb dahin. Es war so ruhig, so friedlich, dass sie sich fragte, warum sie je dagegen angekämpft hatte. Keine Sorgen, keine Angst, kein Schmerz …
»Hey, wach auf«, brach eine Mädchenstimme plötzlich in ihre einsame Glückseligkeit ein, und dann kniff sie auch noch etwas heftig ins Bein.
Sie verdrängte den Schmerz und ließ sich weiter wegtreiben, bis die Stimme des Mädchens nur noch ein blasser Traum war, der sich schnell entfernte.
»Wach auf, Ashley. Schnell, ich brauch deine Hilfe.«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Worte bei ihr eingesickert waren. Niemand hatte je ihre Hilfe gebraucht. Noch nie.
Ihre Neugier war erwacht und ließ sie wieder in ihren Körper zurückkehren. Jetzt spürte sie den stechenden Schmerz in ihrem Knöchel, die kühle Luft von der Klimaanlage auf ihrem nackten Arm und die kalte Flüssigkeit, die in ihre Vene floss. Und wieder diese ungeduldigen Finger, die sie kniffen, diesmal ins Ohrläppchen.
Sie zuckte zurück, die Augen noch immer geschlossen, und hob die Hände, um den hartnäckigen Eindringling abzuwehren.
»Er will sie töten. Du musst mir helfen.«
Ein Schuss zerschmetterte alle Illusionen.
Sie öffnete die Augen. Im Zimmer war es finster, abgesehen von dem Licht, das aus dem Bad hereindrang, und der roten Beleuchtung des Alarmknopfs.
»Wer bist du? Was willst du?« Ihre Stimme war kratzig wie ein rostiges Messer, das ihr die Kehle aufraute. »Lass mich in Ruhe.«
»Meine Mutter hat dich gerettet, aber dann ist er gekommen und hat sie mitgenommen. Bitte, du musst mir helfen.« Die Worte des Mädchens kamen so schnell hintereinander, dass sie sich sehr anstrengen musste, ihre Bedeutung zu begreifen. Das Mädchen packte sie am Arm.
Ein zweiter Schuss hallte durch den Raum. Er klang, als käme er aus nächster Nähe. Dann fielen weitere Schüsse, mehr, als sie zählen konnte. Ashley hielt sich die Ohren zu und wünschte sich zurück in ihr seliges Vergessen.
Das Mädchen ließ ihren Arm fallen, rannte zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit.
»Mom hat ihn, sie hat seine Waffe.« Sie wollte die Tür schon weiter öffnen, schloss sie dann aber schnell wieder und lehnte sich mit vor Angst geweiteten Augen gegen sie. »Sie blutet, und er sagt, er hat eine Bombe. Er sagt, er wird uns alle töten.«
***
Lucy hielt Fletcher weiter fest, einen Fuß auf seinem Handgelenk, während sie sich vorbeugte, um seine Jacke zu öffnen und nachzusehen, ob er nur bluffte. Er lag grinsend da und verspottete sie mit seiner Lässigkeit, als sein Jackett aufging und eine mit C4-Sprengstoff bestückte Weste zum Vorschein kam.
»Ich denke, Sie sollten ab sofort ein bisschen netter zu mir sein, Lucy. Lassen Sie die Waffe fallen.«
Aus den Augenwinkeln registrierte Lucy, wie Eltern, Kinder und Krankenschwestern im Flur umherliefen. Burroughs oder Melissa sah sie nicht.
»Lassen Sie mich erst diese Leute hier wegschaffen«, versuchte sie ihn hinzuhalten. Sie sah, wie eine Frau in der Schwesternstation den Hörer auflegte, was hoffentlich bedeutete, dass die Kavallerie bereits unterwegs war und man mit der Evakuierung des Krankenhauses begann.
»Helfen Sie mir hoch und geben Sie mir meine Waffe wieder. Ich halte die Evakuierung nicht auf, sofern Sie mich zu Ashley bringen.« Er kniff die Augen zusammen und durchbohrte sie mit seinem Blick. »Und zwar sofort.«
Lucy hörte gedämpfte Stimmen hinter sich, als die Schwestern begannen, die Umstehenden aus der Schusslinie zu bringen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Fletcher hatte womöglich ein Dutzend Möglichkeiten, den Sprengstoff zu zünden, und sie konnte ihn nirgendwo so in Schach halten, dass eine Gefährdung von Zivilpersonen ausgeschlossen war. »Also gut.«
Sie nahm ihren Fuß von seinem Handgelenk und sah zu, wie er langsam aufstand. Er behielt den Totmannschalter zwischen Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand, schüttelte seine andere Hand, bis die Durchblutung wieder einsetzte, und schnitt eine Grimasse. »Waffe her.«
Sie gab sie ihm. Er schien kein Problem damit zu haben, die Pistole zu handhaben. Sie hätte ihm das Handgelenk brechen sollen, als sie die Chance dazu gehabt hatte.
»Sehr schön, Lucy. Und jetzt bringen Sie mich zu Ashley.«
»Das werde ich tun, aber es wird Ihnen nicht besonders gefallen.«
»Warum nicht?« Er blinzelte sie an, ohne die schreienden Kinder und
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