Schlangenblut (German Edition)
leid. Ich habe einfach schon zu oft die Warnzeichen übersehen.«
»Also, ich würde sagen, Ihr Radar müsste mal wieder neu geeicht werden.«
»Ich darf kein Risiko eingehen. Nicht wenn das Leben eines Kindes auf dem Spiel steht.«
Er lehnte sich, wieder etwas entspannter, in seinen Sitz zurück und schwieg einen Augenblick, als sie bei Regent Square von der Schnellstraße abbogen.
»Sie haben ja recht. Wenn es mein Fall wäre, wäre ich wahrscheinlich auch misstrauisch.« Er schaute sie an und konnte sich dabei ein Lächeln nicht verkneifen. »Sie sind ganz schön clever, Guardino.« Sie hielten an einer Ampel. Im Frick Park tobte eine Horde Kinder kreischend herum. »Aber wie sind Sie eigentlich zu diesem Job gekommen? Falls Ihnen die Frage nicht zu persönlich ist.«
Sie lachte leise in sich hinein. »Jetzt zahlen Sie es mir aber zurück, was? Nein, ich bin selber nie zum Opfer geworden. Und in meiner Verwandtschaft ist sonst keiner bei der Polizei, daher kommt es also auch nicht. Ich schätze, ich bin einfach nur ein Kontrollfreak. Ich habe das Bedürfnis, irgendwie Sinn in diese verrückte Welt zu bringen, und meine Arbeit scheint mir die beste Möglichkeit zu sein, dieses Ziel zu erreichen.«
»Ständig mit Perversen und Kinderschändern zu tun zu haben – das hilft Ihnen, einen Sinn zu finden?«
»Nein. Sie aus dem Verkehr zu ziehen.«
KAPITEL 10
Samstag, 14.32 Uhr
Gerald Yeagers Zuhause war eine Vierzimmerwohnung in einem Hochhauskomplex aus Glas und Stahl in Highland Park. Eines der wenigen Wohnhochhäuser, die Lucy seit ihrer Ankunft in Pittsburgh gesehen hatte, und es wirkte reichlich deplaciert zwischen den zweistöckigen Reihenhäusern, Geschäften und Einfamilienhäusern in seiner unmittelbaren Umgebung. Das anonyme, steril wirkende Gebäude passte bestens zu Yeager. Sie kamen vor Taylor an, doch Lucy entschied sich, nicht zu warten. Aus dem Foyer rief sie Walden an, um sich auf den neuesten Stand bringen zu lassen.
Noch nichts über Tardiff, außer dass er nicht als Sexualstraftäter registriert war. Mrs Yeager hatte einem Lügendetektortest zugestimmt, ihr Exmann nicht. Yeager hatte sich auch geweigert, sich von einem Polizeibeamten nach Hause begleiten, sein Telefon überwachen oder seine Wohnung durchsuchen zu lassen. Womit er im Augenblick für Lucy der Hauptverdächtige war.
Eiskalt, berechnend, clever … auf Yeager traf das alles zu.
Eigentlich sprach nur eins dagegen, dass Yeager ihr Täter war: Er hatte keinen echten Grund, die Zeit und Energie aufzuwenden und das Risiko einzugehen, Ashley verschwinden zu lassen – außer er wollte sie für immer zum Schweigen bringen.
Lucy seufzte. Sie hörte nur halb zu, als Walden seinen Zwischenbericht beendete, und hielt das Handy ans Ohr, während sie mit Burroughs auf den Aufzug wartete. Sie wollte nicht schon wieder ein totes Kind finden. Ihr Job war es, Kinder zu retten. Zumindest der beste Teil ihres Jobs.
»Ich habe zusammen mit den Leuten von der Staatspolizei im Zentralregister eine Liste registrierter Sexualstraftäter erstellen lassen«, fuhr Walden fort. »Das Viertel ist relativ sauber. Der nächste, der Dreck am Stecken hat, wohnt drei Kilometer entfernt. Ich überlasse das den Kollegen.«
Lucy hatte das Gefühl, dass er mit seiner Einschätzung richtiglag. Hier war keiner am Werk, der Ashley überhaupt nicht gekannt hatte. Ganz im Gegenteil. Jemand hatte die Zeit und die Energie aufgebracht, sich um Ashleys Bedürfnisse zu kümmern – und dabei gleichzeitig seine eigenen zu befriedigen. »Was Neues von den Krankenhäusern oder der Leichenhalle?«
»Nichts. Dunmar hat das mit der Pressekonferenz gar nicht so schlecht gemacht. Seine Notfallzentrale hat eine Hotline geschaltet, aber außer der Kassiererin ist noch nichts Verwertbares dabei rausgekommen.«
»Keine Aussagen von Busfahrern?« Ein Pling verkündete, dass der Aufzug da war. Burroughs hielt die Tür geöffnet, damit sie ihr Gespräch zu Ende führen konnte.
»Nein, aber Ihnen ist ja wohl klar, dass das reine Spekulation war.« In Waldens Tonfall schwang eine Spur von Tadel mit. Sie pflichtete ihm bei – in diesem Fall fiel ihnen die Lösung wohl nicht in den Schoß. »Ansonsten haben wir noch keine Hintergrundinformationen, etwa über die finanzielle Situation der Betroffenen. Und wir warten immer noch auf Rückmeldung aus New York wegen dieses Fotografen, Tardiff. Soll ich hier weiter den Babysitter spielen, oder kann ich den Rest den Eingeborenen
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