Schlangenblut (German Edition)
Feiertag – ein Ausflug, um es mit einem Kind zu treiben.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie was gefunden haben.« Sie beendete das Gespräch gerade in dem Augenblick, als Burroughs sich auf den Platz gegenüber setzte.
»Und, wie geht’s Ihrer Tochter?«, fragte er und deutete mit dem Kopf auf ihr Handy.
Ihr schlechtes Gewissen ließ sie rot anlaufen. Sie musste unbedingt zu Hause anrufen. »Das war Taylor. Nichts Neues.«
»Aha.« Er betrachtete sie über seine Speisekarte hinweg. »Taylor. Der mag Sie.«
Sie winkte ab. Das Letzte, was sie brauchen konnte, war Büroklatsch. »Er ist einfach nur aufgeregt. Sein erster großer Fall.«
»Ich kann immer noch nicht fassen, wie perfekt das alles organisiert worden ist«, sagte er als Erstes, nachdem er einen Bacon-Cheeseburger mit Zwiebelringen bestellt hatte. »Fast wie ein Drehbuch.«
Lucy schüttelte den Kopf, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dann aber beschloss sie, ihre Emotionen zu verbergen. Es war besser, wenn sie die Sache weniger persönlich nahm oder sich zumindest ihre Gefühle nicht anmerken ließ. Ashleys Bilder hatten sie schwer erschüttert. So viel Schmerz und Verzweiflung. »Aber nicht von Ashley.«
»Natürlich von Ashley. Von wem denn sonst?«
»Nein. Ich glaube nicht, dass sie hier die Kontrolle hat.«
»Sie meinen also, sie wurde dazu gezwungen? Dass sie ein Opfer ist?« Er hielt den Kopf schräg, dachte kurz nach und runzelte dann die Stirn. »Nein, das kaufe ich Ihnen nicht ab. Sie hatte das schon lange geplant – womöglich schon den ganzen Sommer lang, wenn das, was die Mutter sagt, stimmt. Sie hatte ein klares Ziel und wusste genau, was sie tat. Wir müssen nur noch herausfinden, wo sie ist.«
»Wir können sie doch nicht als ganz normale Ausreißerin abschreiben«, protestierte Lucy. Dass die Beweislage bislang eine andere Sprache sprach, kümmerte sie nicht, weil ihr Bauchgefühl ihr etwas anderes sagte.
»Als ganz normale Ausreißerin würde ich sie nicht unbedingt bezeichnen. Ich glaube, Ashley führt uns auf eine aussichtslose Verfolgungsjagd – sie hat alles voll im Griff, und wir sind für sie nur Marionetten.«
»Um Himmels willen, die Kleine ist erst vierzehn!«
»Aber verdammt clever. Eine Vierzehnjährige, die genau weiß, was sie will, und alle Möglichkeiten und Freiheiten hatte, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Glauben Sie mir, die führt uns an der Nase herum.«
Obwohl sie seine Meinung nicht teilte, war es noch zu früh, um diese Möglichkeit völlig auszuschließen. »Na schön, dann schildern Sie mal, wie es Ihrer Meinung nach abgelaufen ist.«
»Gut. Sie haut von der Schule aus ab. Warum? Um Zeit zu schinden.«
»Und aus praktischen Gründen«, fügte Lucy hinzu. »Weil es in der Nähe ihres Hauses keine Bushaltestelle gibt und sie keinen Führerschein hat.«
»Also muss sie ihre Festplatte schon gelöscht haben, bevor sie zur Schule gefahren ist. So etwas dauert sicher mehrere Stunden, mindestens.«
»Abgesehen davon, dass sie die SD -Karte aus der Kamera genommen und letzte Woche ihr Alibi als Babysitterin arrangiert hat.«
»Welche Vierzehnjährige denkt denn so weit voraus? In ihrem Alter habe ich mir nicht einmal Gedanken um frische Unterwäsche gemacht.« Burroughs unterstrich seine Worte, indem er mit dem Griff seiner Gabel auf die Tischplatte klopfte. »Ich sag’s doch – wie nach Drehbuch.«
Ihr Essen kam, und beide machten sich darüber her. Lucy hatte einen Frühstücksteller bestellt, der einige Zeit vorhalten sollte. Wer konnte schon sagen, wann sie das nächste Mal Gelegenheit zum Essen bekäme.
»Wie sieht’s mit Geld aus?«, fragte er und wischte sich Ketchup vom Kinn.
Lucy zuckte mit den Achseln. »Kein Zugang zu einem Bankkonto oder Kreditkarten. Ihre Mutter hat ihr zwanzig Dollar Taschengeld pro Woche gegeben – woher soll man da wissen, wie viel sie an Bargeld angespart hatte?«
»Zwanzig pro Woche? Mann, erzählen Sie das bloß nicht meinen Jungs. Die kriegen fünf, und auch das nur, wenn sie alle ihre Pflichten erledigen.«
Sie aßen zu Ende und gingen zu ihrem Wagen zurück. Lucy stand ein paar Minuten mit offener Wagentür da, während Burroughs die Klimaanlage laufen ließ. Sie erinnerte sich zwar, auch schon in ihrer Kindheit in Latrobe warme Spätsommer erlebt zu haben, in denen der Geruch von Hefe und Hopfen aus der örtlichen Brauerei in der drückenden Luft hing, aber so heiß war es nie gewesen.
Während sie wartete, blätterte sie noch einmal Ashleys
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