Schlangenblut (German Edition)
konnte.
Er rief oben an. Als er Minuten später dort eintraf, wartete sie schon auf ihn.
Die Tür stand nur einen Spaltbreit offen, gerade weit genug, damit sich ihre Silhouette vor dem Licht dahinter abzeichnen konnte. Sie hatte alles perfekt inszeniert: die Haare verwuschelt, als wäre sie gerade aufgewacht, die Haut glänzend und nach Jasmin duftend, ein Hauch von Lidstrich und Lippenstift, den Mund zu einer einladenden Schnute verzogen, und den Morgenmantel aus goldfarbener Seide nicht zugebunden und weit genug offen, um zu zeigen, dass sie nichts darunter trug.
Der Teufel in Person, der ihm alles bot, was er brauchte, und nichts von dem, was er wollte.
»Ich hab gewusst, dass du kommst«, schnurrte sie, packte ihn am Hemd und zog ihn schon an sich, als er noch zögerte. »Als ich gesehen habe, wie du sie heute angeschaut hast, war mir klar, dass du heute Nacht in meinem Bett landen würdest.«
»Wovon redest du eigentlich?« Er zog sich zurück, einen Fuß noch immer im Flur, nur einen kurzen Sprint von der Freiheit entfernt.
Sie zog ihn hinein und schloss die Tür hinter ihm. Zu spät. Er saß in der Falle.
»Du bist ein Trottel, Burroughs. Immer Liebe auf den ersten Blick. Aber du hast deinen verdammten Ehrenkodex. Schlimmer noch – du glaubst tatsächlich an die Ehre.« Sie warf den Kopf in den Nacken, dass einige Haarsträhnen die schweißglänzende Haut an seinem Hals streiften. »Du bildest dir ein, das macht dich zu etwas Besonderem, aber in Wirklichkeit macht es dich nur zu einem Dummkopf.«
Sie fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare und drückte dann seinen Kopf nach unten, bis er ihr in die Augen schaute. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl im Magen – ein Gemisch aus Wut und Angst und Ekel und Lust, die untereinander um den Sieg rangen.
»Als ich ihren Ehering gesehen habe, war mir klar, dass ich dich heute Nacht hier haben würde«, fuhr sie fort.
Damit lag sie falsch. Dass er hier war, hatte nichts mit Guardino zu tun, sondern nur mit ihm selbst. Mit seiner Abneigung, allein in dieser leeren Wohnung zu sein. Er gab ungern zu, dass er irgendetwas brauchte, aber er brauchte sie. Jemanden. Irgendjemanden.
Ihr Mund traf auf seinen, doch bevor er reagieren konnte, biss sie ihn in die Unterlippe. Sie lachte, als er den Kopf ruckartig zurückzog und eine Hand hob, um das Blut wegzuwischen.
»Fahr zur Hölle, Cindy.«
»Nur wenn du mitkommst.« Sie befreite sich aus dem Morgenmantel, dessen Stoff beim Hinuntergleiten ihre Rundungen liebkoste. Er griff nach ihr, und sie widersetzte sich nicht. Stattdessen schmolz sie unter seiner gierigen Berührung dahin, während er sie nicht mehr losließ.
***
Lucy ließ den Subaru in der Einfahrt stehen. Wozu mit dem Geräusch der Garagentür jemanden wecken? Zumal sie ohnehin bald wieder wegfahren würde. Sie ging durch die Haustür hinein – durch die Tür, die sonst meist nur Fremde und Gäste benutzten – und tappte im Dunkeln zur Küche. Das Licht über dem Herd brannte und hieß sie willkommen.
Mit Bewegungen, die so sehr in Fleisch und Blut übergegangen waren, dass sie schon längst nicht mehr über sie nachdachte, sicherte sie ihre Glock, legte die Munition auf den Kühlschrank und steckte die leere Waffe in das eigens dafür vorgesehene Fach ihrer Handtasche. Dann kickte sie ihre Schuhe weg und öffnete den Kühlschrank.
Sie hatte eigentlich gar keinen Hunger, bis sie die neonfarbene Haftnotiz auf einem Teller Hühnersalat sah. Iss mich , befahl der Zettel. Daneben stand ein großer Becher Milch mit der Anweisung Trink mich .
Kopfschüttelnd holte sie beide heraus und setzte sich an den Tisch. Bilder von Ashley gingen ihr durch den Kopf, als sie zu essen begann. Hatte sie gerade entsetzliche Angst? Oder lachte sie nur über sie alle?
Dann musste sie an Megan denken. Hatte sie wieder Fieber? Tat ihr der Hals noch weh? Oder war ihre Besorgnis übertrieben gewesen, als sie Megan heute Morgen zum Arzt gebracht hatte?
Gestern Morgen, berichtigte sie sich bei einem Blick auf die Uhr. Der Sekundenzeiger rückte vor und blieb zuckend stehen, wieder und wieder.
Als würde ihn jede vergangene Sekunde atemlos machen und einen Augenblick lang lähmen. Und doch rückte er unaufhaltsam vor.
Lucy schluckte den Rest ihres Essens herunter und stellte das Geschirr ins Spülbecken. Sie versuchte, leise zu sein, hatte aber noch keine Möglichkeit gefunden, die Treppe hochzusteigen, ohne eine wahre Symphonie von Knarrlauten zu entfesseln. Vor Megans
Weitere Kostenlose Bücher