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Schlangenblut (German Edition)

Schlangenblut (German Edition)

Titel: Schlangenblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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Durchsuchung fast fertig waren. »Was gefunden?«
    »Ein paar Drogenutensilien und Frauenklamotten, aber nichts, was zur Beschreibung von Ashleys Kleidern passt«, antwortete Walden. »Keinerlei Anzeichen dafür, dass hier jemand gegen seinen Willen festgehalten wurde.«
    »Keine Computer«, fügte Taylor mit einem enttäuschten Stirnrunzeln hinzu. »Nur Ashleys Telefon und ein Prepaid-Handy, das in der Handtasche der Frau war.«
    Burroughs kam zurück. »Und was ist mit der Frau?« Er deutete mit dem Kopf zum anderen Zimmer, wo zwei weitere Männer von der Spezialeinheit zuhörten, wie Delroys Freundin ihnen ebenso eindeutige wie phantasievolle Schimpfwörter an den Kopf warf. »Wollen Sie sie haben?«
    Lucy überlegte. Da Delroy auf Bewährung draußen war, hatte sie ihm gegenüber ein Druckmittel. In Bezug auf seine Freundin hatte sie keines. »Habt ihr schon ihre Personalien festgestellt?«
    »Ja. Hildy Figeruaro. Zweiundzwanzig, nicht auf der Fahndungsliste. So wie die aussieht, hat sie Heroin und Methadon eingeworfen. Ist ziemlich zugedröhnt, aus der ist im Augenblick nicht viel herauszuholen.«
    »Warum verhaften wir sie nicht wegen unerlaubten Waffenbesitzes, bis sie wieder ansprechbar ist? Dann wissen wir wenigstens, wo wir sie finden können, falls ich sie doch noch brauchen sollte.«
    »Klar. So kommt sie vor Montag nicht auf Kaution raus, und wir haben genug Zeit.« Er traf die entsprechenden Vorkehrungen. Lucy schlenderte durchs Zimmer, bewunderte die hohen Decken und das kunstvoll gearbeitete Gebälk und unterdrückte ihren Drang, vor Wut loszubrüllen. Sie hatten hier nur ihre Zeit verschwendet.
    Ashleys Zeit. Zum ersten Mal seit dem Morgen erlaubte sich Lucy in Gedanken hinzuzufügen: falls Ashley noch am Leben war.
    Sie gähnte und streckte ihren Kiefer, bis es in ihrem Ohr knackte, was den stechenden Schmerz im Nacken linderte. Sie wippte auf den Füßen auf und ab, während sie von ihrem Standort neben dem ungemachten, sexbefleckten Bett aus dem gardinenlosen Fenster starrte und mit dem Schuh ein Methadonröhrchen beiseitekickte. In ihrem Ehering – dem einzigen reinen Gegenstand in dieser Wohnung – spiegelte sich in warmem Rotgold das Licht der einsamen nackten Glühbirne der Nachttischlampe.
    »Wollen Sie hier noch etwas, Boss?«, fragte Walden.
    Lucy riss sich aus ihrer Träumerei, wandte der Dunkelheit hinter dem Fenster den Rücken zu und ließ ihre Schultern kreisen, um das Gewicht der schusssicheren Weste in eine weniger unbequeme Position zu verlagern. »Nein. Gehen wir.«
    ***
    Seit sie sich erinnern konnte, hatte Ashley hart dagegen angekämpft, ihrer Gedankenverlorenheit nachzugeben. Ihre Eltern hatten sie in solchen Situationen immer der »Flatterhaftigkeit« oder Tagträumerei bezichtigt und sie dafür getadelt, wieder einmal »weggetreten« zu sein.
    Wegtreten – ja, das war es, abgetrieben wie ein mit Helium gefüllter Ballon, der in den Himmel stieg, auf zu neuen Orten, neuen Menschen, einem neuen Leben.
    Als sie noch jünger war, genügte ein Wort, um sie ins Hier und Jetzt wieder zurückzuholen. Dann lernte sie, es selbst zu tun – es genügte schon, wenn sie sich in den Arm kniff.
    Bald aber reichte das nicht mehr aus, und so begann sie, sich zu kratzen. Aus dem Kratzen wurde Schreiben, als sie an verborgenen Stellen Worte in ihre Haut ritzte, die sie eigentlich nicht einmal hätte kennen dürfen, Worte, von denen nicht einmal sie so genau wusste, ob sie auf sie selbst oder andere zutrafen: Scheiße, Nutte, Arschloch.
    Als auch das nicht mehr funktionierte, lernte sie die Macht des Blutes kennen. Den Anfang machte eine Nadel, ein kleiner Stich in die Fingerspitze. Während sie sich auf den leuchtend roten Blutstropfen konzentrierte, den stechenden Schmerz, gelang es ihr, sich davon zu überzeugen, dass sie doch Gefühle hatte, innerlich nicht vollkommen leer war und sehr wohl in diese Welt gehörte.
    Sie sah, wie ein Mädchen aus ihrer Klasse sich mit einem Daumennagel ritzte, und bald tat Ashley es ihr gleich und begann, mit zahlreichen scharfen Gegenständen und verschiedenen Techniken zu experimentieren. Schnitt sie zu tief, kam zu viel Blut, was unappetitlich war und Aufmerksamkeit erregte. War der Schnitt zu flach, kam gar kein Blut – und an diesem Punkt ihrer Sucht ging es nicht mehr ohne. Das Blut und der Schmerz bildeten ihre Brücken, über die sie zurück in die Realität gelangen konnte.
    Bis zu diesem Augenblick. Jetzt lag sie da, zusammengerollt um eine

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