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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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vor.
    Diese Tür hatte eine Klinke mit einem Schnappriegel. Ich würde da nicht hineingehen. Ich würde einfach nur versuchen, die Tür zu öffnen, und dann ein gutes Stück zurücktreten –
sehen, ob irgendetwas herauskam. Ich packte die Klinke und drückte nach unten. Ohne Erfolg. Wieder eine abgeschlossene Tür. Ich bückte mich und riskierte es, mit der Taschenlampe in das große Schlüsselloch zu leuchten. Es war vollkommen frei von all dem Schmutz, den man nach fünfzig Jahren erwartet hätte. Ich trat zurück, ließ den Blick über die Tür wandern und überlegte, ob ich wirklich den Mut hatte, das zu tun, was mir gerade eingefallen war.
    Früher einmal waren die Kirchen in England nur selten verschlossen. Die Kirche war der Ansicht, dass ihre Gebäude jenen, die des Gebets und der Abgeschiedenheit bedurften, allezeit offen stehen sollten. In letzter Zeit jedoch hatten Vandalismus und Diebstähle dergleichen fast überall unmöglich gemacht, außer in den abgelegensten Landgemeinden. Selbst kleine Dorfkirchen hatten Probleme gehabt, und gelegentlich war man auf einen merkwürdigen Kompromiss verfallen. Die Kirchen wurden abgeschlossen, doch der Schlüssel wurde an einer Stelle hinterlegt, wo diejenigen, die Bescheid wussten – die regelmäßigen Kirchgänger – ihn finden könnten. Was hatten die Angehörigen der Gemeinde von St. Birinus vor fünfzig Jahren mit ihrem Schlüssel gemacht?
    Der Türrahmen wurde von einem Bogen überspannt, und darüber war zur Zierde ein steinerner Türsturz angebracht, ungefähr zweieinhalb Meter über dem Boden. Am Scheitelpunkt des Bogen grinste die Dämonenfratze eines Wasserspeiers mit steinernen Glotzaugen. Sie war zu hoch, als dass ich sie hätte erreichen können, doch etwa dreißig Zentimeter über dem Boden zog sich ein schmales Sims um die Kirche herum, und Efeu, seit Jahren nicht mehr zurückgeschnitten, wucherte an den alten Steinen empor. Ich trat auf das Sims, hielt mich mit einer Hand an dem Efeu fest und tastete mit der anderen auf dem Türsturz herum. Jede Menge Laub, ein paar Steine, sonst nichts. Blieb nur noch der Wasserspeier. Der eigentlich gar kein Wasserspeier war, wie mir klar wurde, als ich mich ihm praktisch Auge in Auge gegenübersah. Wasserspeier (so hässlich
sie auch sein mögen) haben in der Regel einen praktischen Nutzen. Regen fällt auf das Kirchendach, sammelt sich in Regenrinnen, die sich am Dachrand entlangziehen, und fließt durch das klaffende Loch im Mund der Wasserspeier ab. Diese gemeißelte Fratze hier hatte zwar hinter ihrer obszön herausgestreckten Zunge einen weit aufgerissenen Mund, war jedoch nicht an eine Regenrinne angeschlossen. Strikt gesehen war es ein Fabelwesen, eine steinerne Verzierung.
    Und sein Mund war mit Mutter Naturs Dreck aus fünfzig Jahren vollgestopft. Ich zog eine Handvoll verrottender Blätter hervor, etliche weitere Ladungen Schlamm, die Überreste eines Vogelnests, und es kam immer noch mehr zum Vorschein. Nach zwei Minuten des Herumwühlens war meine Hand vollständig im Rachen der Steinkreatur verschwunden. Irgendetwas rannte über meine Finger, und ich schauderte unwillkürlich. Da drin war nichts. Ich wollte schon aufgeben, als mein kleiner Finger kaltes Metall berührte. Ich packte zu und zog die Hand heraus.
    Dann sprang ich von dem Sims herunter und leuchtete mit der Taschenlampe auf meinen Fund. Ein großer Messingschlüssel – angelaufen vom Alter, voller Schlamm, doch, wie ich sehen konnte, nachdem ich ihn an meiner Jeans sauber gewischt hatte, ohne eine Spur von Rost. Überzeugt, dass er passen würde, hielt ich ihn an das Schlüsselloch und hielt inne.
    Ein Mann war gestorben, ein neugeborenes Baby war in Gefahr geraten, die Angst vor Schlangen brachte die Leute fast um den Verstand. Und ein Mann, der roch wie ein menschliches Wesen am absoluten Tiefpunkt, der wie ein Schatten im Dorf umging, war dafür verantwortlich. Wir hatten im Haus der Witchers keine eindeutigen Spuren von ihm gefunden, doch irgendwo musste er sich verstecken. Hatte ich dieses Versteck gefunden? Und wenn ja, was sollte ich jetzt tun? Erwartete ich wirklich, dass die Polizei den alten Kirchturm durchsuchte, weil ich einen Schatten gesehen hatte? Unwahrscheinlich.
Konnte ich mich dazu durchringen, Matt anzurufen? Ich kannte die Antwort auf diese Frage. Gab es sonst irgendjemanden, dem ich mich anvertrauen konnte? Die Antwort darauf kannte ich auch. Ich drehte den Schlüssel und stieß die Tür auf.

30
    Dahinter lag

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