Schlangenhaus - Thriller
öffnete sich von Neuem. Ulfred trat in das dahinterliegende Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Ich lauschte den verklingenden Schritten.
Also, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um etwas zu unternehmen.
Okay, okay! Ich machte einen Schritt vorwärts und schaltete die Taschenlampe ein. Gleich darauf fand ich die hölzernen Riegel, die, wenn sie vorgeschoben waren, die Schränke von innen versperrten. Ich schob sie vor.
Da ich wusste, dass verschlossene Türen sich bei Ulfred nicht immer als allzu wirkungsvoll erwiesen, machte ich kehrt und rannte die Stufen hinunter. So viel leichter jetzt, da ich es wagte, die Lampe zu benutzen. Unten eilte ich auf kürzestem Wege zu der hingestreckten Gestalt, die an der Wand gegenüber lag. Ich brauchte sein Gesicht nicht zu sehen, um zu wissen, wer es war. Diese Jacke hatte ich selbst schon einmal getragen.
Ich packte Matt an der Schulter. Als ich ihn zu mir herumdrehte, stöhnte er leise. Die unglaubliche Erleichterung, zu wissen, dass er noch am Leben war, währte nur kurz. Nur so lange, bis ich seine grauen, blutunterlaufenen Augen sah. Blut lief ihm aus dem Mund. Ein dünner, krächzender Laut drang zwischen seinen Lippen hervor, und ich wusste, dass er sich mit aller Kraft abmühte, zu atmen.
»Matt!«
Zu sprechen, überhaupt ein Geräusch zu machen, war dumm, das wusste ich, doch ich konnte nicht anders. Matts
rote Augen fanden die meinen. Wieder bewegten sich seine Lippen.
»Arm«, keuchte er. Und versuchte, den Kopf zu drehen und seinen rechten Arm anzusehen.
Ich zerrte an der Jacke und schaffte es, seinen Arm freizubekommen. Sein Hemd war rot vor Blut. Endlich fand ich mein Messer, schob es unter seinen Kragen und schnitt sein Hemd von oben nach unten auf. Zog den durchweichten Stoff auseinander, bis ich die Haut sehen konnte.
Das war kein Kreuzotterbiss. Selbst ohne die heftige Blutung wäre mir das klar gewesen. Der Taipan hatte ihn hoch oben in die Schulter gebissen, und die Haut um die Wunde herum schwoll bereits an, verfärbte sich violett. Sein Fleisch starb vor meinen Augen ab. Schlimmer noch, das Gift schoss durch seinen Körper, fraß an seinen Organen, lähmte die Funktionen, die nötig waren, um ihn am Leben zu erhalten. Sehr bald würde er nicht mehr ohne Hilfe atmen können. Morgen früh würden sich seine inneren Organe aufgelöst haben. Er würde eine verrottende Hülse sein.
Wenn du gebissen wirst, bleiben dir Stunden – das weißt du doch, oder?
Vor etwas mehr als einer Stunde hatte Matt sein Haus verlassen. Noch war Zeit. In einer der vielen Taschen meiner Jacke fand ich die Schachtel mit den Ampullen, die Sean mir gegeben hatte, und die Spritze, die ich aus der Ausrüstungstasche des Land Rover mitgenommen hatte. Normalerweise trug ich die bei mir, wenn ich großen Säugetieren Beruhigungsmittel verpassen musste. Matt zählte wohl als großes Säugetier. Ich warf einen schnellen Blick auf die Aufschrift auf der Schachtel. Antiserum muss langsam injiziert werden, am besten verdünnt in einer intravenösen Infusion. Für derartige Feinheiten war keine Zeit, doch ich musste trotzdem vorsichtig sein. Ich zog die Spritze auf, fand eine Vene, und dann, quälend langsam, die ganze Zeit über den Sekundenzeiger meiner Uhr im Blick, spritzte ich Matt die einzige Substanz auf der Welt in
den Arm, die ihn retten konnte. Danach nahm ich eine zweite Ampulle und wiederholte das Ganze. Und dann musste ich aufhören.
Die volle Dosis des Gegengifts konnte ich ihm nicht verabreichen; das hätte ihn mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit umgebracht wie der Biss selbst. Jetzt hatte er immerhin eine Chance, doch er musste so schnell wie möglich ins Krankenhaus. In seiner Jacke fand ich eine kleine Innentasche und wollte gerade die restlichen Ampullen dort hineinstecken, als ich ein zusammengefaltetes Stück Papier entdeckte. Sofort fielen mir Clive Ventrys Name und seine Adresse in der oberen linken Ecke auf.
Auch wenn ich vielleicht kostbare Zeit verschwendete, entfaltete ich das Papier, strich es glatt und leuchtete dann mit der Taschenlampe auf einen an Clive adressierten Bericht von einem Genetiklabor. Darin dankte man ihm für die kürzlich übersandten Proben und informierte ihn darüber, dass die DNS-Analyse ergeben habe, dass zwischen Person A und Person B zu 99,9 Prozent keinerlei biologische Verwandtschaft besteht.
Hatte Clive darüber mit Matt sprechen wollen? Höchstwahrscheinlich, aber ich hatte keine Ahnung, was es zu bedeuten hatte. Da
Weitere Kostenlose Bücher