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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Fernseher zu starren,
ich war mir allerdings ziemlich sicher, dass sich ihr Blick stets zu mir verirrte, wenn ich nach unten sah.
    Ich wollte schon aufgeben, als ich auf etwas stieß. Im September 1957 hatte eine von Saul Witcher angeführte Mannschaft den alljährlichen Dorfwettstreit im Tauziehen über den Fluss gewonnen, über den Liffin. Seine frisch angetraute Ehefrau Alice hatte die Trophäe überreicht. Saul war verheiratet gewesen: mit Alice.
    Noch fünf Minuten. Ich legte die Gemeindemitteilungen wieder in die Schachtel. Mittlerweile war ich ziemlich wütend auf Ruby. Alt oder nicht, degenerative Erkrankung oder nicht, so benahm man sich einfach nicht. Sie glauben, es ist schwer, mir ins Gesicht zu sehen? Versuchen Sie’s mal im Spiegel. Ich ging zum Fernseher, kniete daneben nieder und zog den Stecker aus der Steckdose. Das trug mir ihre Aufmerksamkeit ein.
    »Hallo«, sagte ich.
    Wieder schaute sie hastig weg, und ich verspürte ganz kurz Gewissensbisse, weil ich möglicherweise eine schutzlose alte Frau drangsalierte.
    »Ruby, erinnern Sie sich noch an Saul Witcher?«, fragte ich und gab mir große Mühe, leise zu sprechen. »Der Mann von Alice? Wissen Sie noch, warum er das Dorf verlassen hat? Wo er hingegangen ist?«
    Rubys Blick war starr auf ihren Schoß gerichtet. Ihre Finger umklammerten noch immer die Fernbedienung, drehten sie unablässig.
    »Was ist mit Ulfred? Sauls Bruder?«
    Keine Antwort. Es war hoffnungslos. Ich stand auf und ging auf die Tür zu.
    »Ulfred ist ertrunken«, sagte eine dünne Stimme hinter mir, so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte. »Sie haben ihn ertränkt.«
    Ich drehte mich um, nahm mir einen Moment Zeit, um mich zu fragen, ob sie wirklich das gesagt hatte, was ich gehört zu haben glaubte.

    »Was haben Sie gesagt? Wer hat ihn ertränkt, Ruby?«
    Ich schritt wieder quer durchs Zimmer und kniete neben Rubys Sessel nieder. Sie weigerte sich, mich anzusehen. Während ich sie betrachtete und nicht recht wusste, was ich als Nächstes tun sollte, begann sie, sich in ihrem Sessel vor und zurück zu wiegen. Wir fuhren beide zusammen, als eine Glocke durch das Gebäude hallte.
    »Abendessen«, sagte Ruby zu sich und stemmte sich auf den Armlehnen des Sessels in die Höhe. Ich bot ihr meine Hilfe an, doch sie beachtete meine ausgestreckte Hand nicht und kämpfte sich mühsam auf die Beine. Dann drehte sie mir den Rücken zu und ging langsam zur Tür.
    »Ich grüße Violet von Ihnen«, murmelte ich vor mich hin. Dann kam mir ein Gedanke.
    »Ruby«, rief ich ziemlich laut, da ich mir nicht sicher war, wie gut sie hörte. Sie nahm es nicht zur Kenntnis, doch ich glaubte zu sehen, wie sie kurz zögerte. »Ruby, wussten Sie, dass die Schlangen zurückgekommen sind?«
    Keine Antwort, und einen Augenblick lang dachte ich, sie würde einfach zur Tür hinausmarschieren. Dann hörte ich ein Geräusch, als wenn Wasser aus einiger Höhe ausgegossen wird, und ein säuerlicher, scharfer Geruch durchdrang das Zimmer. Ich schaute nach unten und sah einen dunklen, nassen Fleck auf dem Teppich zwischen Rubys Füßen.

29
    Ein paar Stunden später befand ich mich abermals auf dem Friedhof.
    Wenn Ulfred hier beerdigt war, musste sein Grabstein auch zu finden sein. Ich hatte in der Ecke mit den ältesten Gräbern angefangen und mich dann zu den Holunderbüschen vorgearbeitet. Dabei ging ich in geraden Linien kreuz und quer über den Kirchhof und überprüfte im Vorbeigehen die Namen auf jedem Stein. Ich hatte ein paar Witchers ausfindig gemacht – männlichen sowie weiblichen Geschlechts –, doch sie waren vor zu langer Zeit gestorben, um direkt mit Walter und seinen Brüdern in Verbindung zu stehen.
    Der Wind hatte den größten Teil des Tages über stetig an Stärke zugenommen, und die Bäume, die den Friedhof umstanden, schwankten. Ihre dunklen Äste, schwer mit Frühlingslaub beladen, ließen das Mondlicht nur schwach hindurch. Seltsame, unstete Schatten huschten über den Boden, wie kleine Lebewesen, die zwischen den Steinen dahinflitzten. Ich musste mich zusammenreißen, so gruselig war es.
    Nach einer halben Stunde schaltete ich eine kleine Taschenlampe an, um die Namen auf den Grabsteinen erkennen zu können. Nach einer Stunde war ich mir so sicher, wie ich nur sein konnte, dass Ulfred nicht auf diesem Fleckchen heiligen Bodens in Frieden ruhte.
    Der Gedanke behagte mir ganz und gar nicht, doch ich wusste, dass ich mich im Innern der Kirche nach einem Gedenkstein oder dergleichen

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