Schlangenkopf
übergeben und kniet in der eigenen Kotze. Das wird nichts mehr, denkt Olga und stößt die Tür auf und huscht die Treppe zum Garten hinauf und drückt sich ins Gebüsch, die Schießerei hat aufgehört, aber in den Häusern links und rechts und gegenüber gehen jetzt die Lichter an.
Sie muss zur Straße zurück, wenn überall Leute glotzen, kann sie nicht über Gartenzäune turnen, sie schiebt sich an der Hauswand entlang vor, verharrt an der Hausecke und späht auf die Straße – noch mehr Licht, Giulios Wagen steht mit laufendem Motor und eingeschalteten Scheinwerfern vor dem Haus, die Beifahrertür fällt zu, und der Wagen fährt los. Kann das sein, dass Giulio einfach abhaut? Sie tastet nach ihrer Pistole, aber wozu soll das jetzt noch gut sein? Eine Frau zetert, Hunde bellen, Olga weiß, dass sie keine Zeit mehr verlieren darf, und so geht sie ganz einfach quer über den Vorgarten zur Straße, die Lampe vor dem Hauseingang beleuchtet die zeternde Frau, die klein und dick ist und zu deren Füßen ein Körper liegt, der Körper eines dicken Mannes, und Olga muss gar nicht näher hinschauen, um zu wissen, dass der Mann sandfarbenes Haar hat, wie sonst kaum ein Italiener.
Vor einem Gartentor drückt sich eine gefleckte Katze herum, Olga weicht ihr aus und macht ein ärgerliches »Kschsch!«, Katzen kann sie nicht ertragen. Ein Mann streckt seinen Kopf aus einem Fenster des Nachbarhauses, das Licht im Zimmer hinter ihm lässt seinen spärlichen Haarkranz aufleuchten wie einen Heiligenschein.
»Hallo Sie, da ist doch geschossen worden …«
»Ja«, antwortet Olga, »ich habe es auch gehört, aber der Akku von meinem Handy ist leer. Könnten Sie die Rettung anrufen? Und die Polizei.«
Und Olga geht weiter die Straße hinunter und biegt nach rechts ab, in Richtung U-Bahn-Station, sie geht zügig, wie eben eine Frau abends zur U-Bahn-Station geht, ein Taxi darf sie nicht nehmen – früher oder später wird die Polizei nach ihr suchen, der Taxifahrer aber würde sich an sie erinnern.
Sie tastet nach dem Handy in der Tasche ihrer Kostümjacke, und sie ruft den Mann an, dessen Namen sie nicht kennt.
»Ja?«
»Olga hier. Der Kunde hat nicht unterschrieben.«
»Nein?«
»Nein. Die Kollegen haben keinen sehr guten Job gemacht.«
»Wo sind sie jetzt?«
»Noch dort.«
Mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn kommt ihr ein Streifenwagen entgegen, und Olga schaltet das Handy ab. Der Mann, dessen Namen sie nicht kennt, weiß jetzt auch so, was Sache ist.
D er Bilch ist samt Notebook in die Küche umgezogen, damit André schlafen kann; es ist jetzt allmählich die Zeit dafür, findet der Bilch, auch wenn ihn das alles eigentlich gar nichts angeht. Aber André hat sich ohne weiteren Widerspruch getrollt, die Geschäftsberichte der Privatbank Oheymer & Jaumann, München/Lindau i. B., sind so spannend nun auch wieder nicht.
Die Sektflasche ist noch nicht leer, außerdem hat sich der Bilch einen Pulverkaffee aufgegossen, er ist also für den Rest der Nacht gewappnet. Das Einzige, was ihm fehlt, ist ein roter Faden. Aber braucht man den wirklich?
Aber der Reihe nach. 1993 wird in Basel die Hephaistos AG, Gesellschaft für Sicherheitstechnik, ins Handelsregister eingetragen. Zu dieser Notiz gibt es einen Verweis auf eine Datei mit Anmerkungen, also ruft er diese auf und findet folgenden Eintrag:
Rhein. Consult GmbH: Eigentümer sind laut Handelsregister Ulrich Eschle/Ravensburg (52 Prozent), Theodor Meyer-Espelkamp/ Köln und Joseph Wammetsrieder/ Passau.
Der Bilch notiert sich die Namen in einem leeren Schulheft, das ihm André gegeben hat, dann lehnt er sich zurück und versucht nachzudenken. Diesem MdB Christian Fausser, der diese Dateien samt Querverweisen angelegt hat, war es also wichtig gewesen zu wissen, wem die Rheinische Consult gehört. Diese hält immerhin den größten Anteil an der Hephaistos AG. Warum gibt es aber zu den anderen Teilhabern keine Anmerkungen, weder zu Mesic noch zu diesem Hornisser oder diesem Matthaus? Heißt das, dass diese für Fausser nicht wichtig waren? Oder sind diese anderen Namen für ihn so selbstverständlich, dass er sie nicht eigens erwähnen muss?
Er geht weiter die Dateien durch. 1997, nach der Stilllegung der Pula Recycling Corp., ändern sich die Eigentümerverhältnisse bei der Hephaistos AG. Neu eingetreten sind die Daniel Kirstejn Vermögensverwaltung Zug/CH, die nun knapp 35 Prozent der Anteile hält, und eine Middle & Far East Trading Co. mit Sitz auf den
Weitere Kostenlose Bücher