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Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Titel: Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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ausrauchte, wie zufrieden er aussah, wenn er in der Führerkabine seines Krans saß und mit den Autos spielte, wie ein haushohes Ungeheuer es kaum besser hätte tun können. Aber in diesem Moment wollte ich ihn abtreten sehen, wollte Tabula rasa. Wenn er in irgendwelche finsteren Geschäfte mit Leuten verwickelt war, die lieber den Abzug eines Revolvers drückten als Probleme auszudiskutieren, dann sollte er in Gottes Namen dafür bezahlen und nicht mein unschuldiges Leben dafür aufs Spiel setzen! Er und seine Freunde waren nicht einmal Deutsche. Was immer für verbrecherische Aktivitäten sie trieben – ob sie Autos manipulierten oder stahlen oder Drogen darin versteckten – sie sollten es unter sich ausmachen. Ich wollte nicht hineingezogen werden.
    Auf den zweiten Schuss war Stille gefolgt.
    Eine paar Schritte waren zu vernehmen, langsam, schlendernd, sonst nichts. Dann verstummten auch die Schritte. Aber sie waren nicht in der Ferne verschwunden, sondern ganz in der Nähe stehen geblieben.
    Dass der Weißhaarige nicht mehr schrie und nicht mehr flehte, war furchtbar.
    Ich ahnte, dass mein Gebet erhört worden war. Es sind diese Gebete, die erhört werden, hämmerte es in meinem Kopf. Immer die, die man nicht so gemeint hat.
    Und dann redete ich mir ein, dass die Stille nicht bedeuten musste, dass er tot war. Es war denkbar, dass er ohnmächtig zusammengebrochen war. Dass man ihn niedergeschlagen hatte. Dass man ihm die Mündung der Waffe an die Schläfe gelegt hatte und ihm drohte, abzudrücken, wenn er noch ein Wort sagte.
    Aber der zweite Schuss und sein Schweigen – sie passten so gut zusammen. Wie ein Schlüssel und ein Schloss.
    Die Schritte waren jetzt wieder zu hören. Ganz in der Nähe kamen sie vorbei.
    Was wollten sie noch hier? Warteten sie noch auf jemanden?
    Gott – der Weißhaarige musste wirklich tot sein, sonst hätte irgendjemand etwas gesagt. Aber warum verschwanden sie nicht von hier? War es für sie nicht gefährlich, hier zu bleiben und zu riskieren, dass jemand auf sie aufmerksam wurde?
    Die Dämmerung kam jetzt sehr schnell. Ich fühlte mich, als würde sich ein dunkler Schleier über mich senken. Aber der Schleier war nicht komplett. Von irgendwoher drang ein Lichtstrahl zu mir durch. Bildete ich mir das nur ein?
    Mein Herzschlag schien zu dröhnen, als einer der Männer an dem Wagen vorbeikam. Eine Hand trommelte einen kurzen Rhythmus auf die Motorhaube, dann die Fortsetzung davon auf die Beifahrertür, hinter der mein Kopf lag …
    Vor meinen Augen breitete sich für einen Moment Schwärze aus. Die Schritte schienen sich wieder zu entfernen. Das Klopfen erklang aus der Ferne noch einmal. Der Unbekannte wiederholte das Spiel am nächsten Wagen.
    Die Erleichterung durchflutete mich so heftig, dass ich mich beinahe aufgerichtet hätte. Ich drehte meinen Kopf nach hinten … und die Entspannung, die nicht viel länger als eine Sekunde gewährt haben konnte, war vergessen!
    Die kleine Taschenlampe, die mir vor einigen Minuten (unmöglich zu sagen, wie lange es wirklich zurücklag) aus der Hand gefallen war, brannte noch. Sie war unter den Sitz gerollt, aber nicht verlöscht. Ihr dünner gelber Strahl ragte durch den Staub, den meine Beine aufwirbelten, nach vorne und traf das Gaspedal. Er war heller geworden und würde mit jeder Minute heller werden, die die Dämmerung fortschritt. Konnten die Batterien nicht endlich den Geist aufgeben? Sie taten es doch sonst immer, wenn man sich auf sie verließ!
    Ich winkelte mein rechtes Bein an, und versuchte, das Knie unter den Sitz zu bekommen. Was ich damit bezwecken wollte, war mir selbst nicht ganz klar. Ich stieß gegen die Lampe, und der Lichtstrahl bewegte sich.
    Aufhören, herrschte ich mich lautlos durch zusammengebissene Zähne an. Noch so ein geniales Manöver, und du kannst gleich „Hier!“ rufen!
    Ich schob meinen rechten Arm zwischen meinem Körper und den Sitzen hindurch, tastete mit der Hand nach dem dünnen, stiftartigen Objekt. Irgendetwas stach mich in den Zeigefinger, und ich hoffte, dass es keine Kanüle, sondern nur ein winziger Holzsplitter war. Der Unterbau des Sitzes versperrte mir den Weg, ich drängte weiter, blendete die Schmerzen aus, die dabei entstanden.
    Draußen waren wieder Schritte zu hören. Sich nähernde Schritte. Kam der Mann zurück, oder war es der zweite, der nun auch sein Interesse für meine kleine Ecke der Welt entdeckt hatte? Während ich den Schritten wie gebannt lauschte, stießen meine Finger gegen

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