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Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Titel: Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Geistlichen war als Spaß gemeint gewesen, doch wie so oft entzündeten sich daran nicht enden wollende theologische Diskussionen.
    Besonders schlimm war der Unfall nicht gewesen. Niemand war dabei zu Schaden gekommen, und nicht einmal die Versicherungsleute wurden gerufen. Der Besitzer des Autofriedhofs schien sich zu freuen, bei den Aufräumarbeiten wieder richtig malochen zu können. Zwar war ihm die Polizei einige Tage lang auf die Füße getreten, und solange die Beamten sich dort herumtrieben, konnte ich meinen persönlichen Abenteuerspielplatz nicht aufsuchen, aber nach einer Woche war alles wieder beim Alten.
    In der Nacht, in der es geschehen war, hatte sich kein Lüftchen geregt. Der Turm hatte sich einfach so zur Seite geneigt. Schlecht ausbalanciert.
    Der Besitzer des Platzes war ein großer weißhaariger Serbe um die Sechzig. Seine Zähne und Finger waren gelb vom Kettenrauchen, und er rasierte sich nur, wenn er Lust dazu hatte. Ein Mann, der langsam, aber ausdauernd arbeitete und öfters mal mit seinem alten gelben Kran die Nachtruhe störte, weil er nicht einsah, dass irgendwann einmal Feierabend sein musste.
    Ich war mir nicht sicher, ob er ahnte, wie viele Kinder und Jugendliche sich auf seinem Schrottplatz tummelten. Klar, ab und zu erwischte er einen von ihnen, und früher hatte er wohl gerne mal einen Jungen verdroschen – kleine Pimpfe, die heulend über die angrenzenden Äcker liefen, waren kein seltener Anblick gewesen. Das Prügeln hatte er allerdings hübsch bleiben lassen, seit eine Mutter ihn in den Achtzigern wegen Körperverletzung angezeigt hatte. Jetzt rief er stattdessen die Polizei, wenn er unbefugten Besuch hatte, und das war viel unangenehmer für die Beteiligten.
    Er war körperlich und geistig allerdings nicht sehr rege. Um sich von ihm erwischen zu lassen, musste man sich schon außergewöhnlich dumm anstellen.
    Das Tor war so rostig, dass es sich nicht mehr in den Scharnieren bewegen ließ und immerzu offen stand. Irgendwann hatte er die Auflage bekommen, es erneuern zu lassen, doch die Behörden schienen vergessen zu haben, es nach Ablauf der Frist zu kontrollieren, und so spannte er jeden Abend nach zwanzig Uhr ein altes Seil zwischen den Torpfosten, an das er ein Schild mit der Aufschrift „Betreten verboten“ hängte. Man musste das Seil nicht einmal berühren – man konnte einfach drübersteigen.
    Gleich neben dem Tor gab es eine Hütte. Dort hielt er sich auf, wenn er nicht arbeitete. Hinter der Hütte standen riesige Eisenregale, in denen er die Autoteile stapelte, die er den metallenen Kadavern entrissen hatte. Nach vorne hin war der Autofriedhof von offenem Land umgeben: flache Kartoffel- und Rübenäcker, gut bewirtschaftet. Auf der Rückseite begann die Wildnis. Das Gras wuchs hoch, Brombeeren wucherten, knorrige Ulmen bildeten kleine Wäldchen. Sich aus dieser Richtung ungesehen zu nähern, war ein Kinderspiel.
    Ich weiß nicht genau, was mich immer wieder an diesen Ort zog. Vielleicht die Tatsache, dass es ein Friedhof war.
    Ich besuchte die zwölfte Klasse des Gymnasiums, und zwei meiner Klassenkameradinnen machten nachts gerne mal einen Abstecher auf einen echten Friedhof. Einmal hatte ich sie begleitet, doch es war nichts für mich gewesen. Beim Anblick der vom Mondlicht beschienenen Grabsteine hatte ich mich weder gegruselt noch sonst etwas empfunden. Vielleicht, weil der Friedhof zu gut in Schuss war. Die verrottenden Toten hatte man unter bunten, sauber gepflegten Beeten versteckt, an denen man kein welkes Blättchen duldete, und die Steine, die an sie erinnern sollten, waren so neu und blankgeputzt, dass es mir schwer fiel, in ihnen die Vergänglichkeit zu spüren.
    Der Schrottplatz dagegen regte meine Phantasie an. Für technische Dinge war ich schon immer offen gewesen, und der Anblick der deformierten Autowracks muss etwas in mir getriggert haben, für das es keine Worte gibt. Ich weiß, dass kleine Jungs von solchen Orten angezogen werden, aber für ein achtzehnjähriges Mädchen wie mich ist es ungewöhnlich.
    Das Gelände war riesig. Man konnte sich darauf verlaufen, und bei meinen ersten Besuchen war mir genau das passiert. Dutzende von Schrotttürmen gab es, dazwischen immer wieder kleine Plätze, von denen aus mit dem Kran gearbeitet werden konnte. Der Untergrund war nicht geteert. Ein weiterer Grund, warum es wenig Spaß machte, nach heftigen Regenfällen herzukommen.
    Aber es hatte seit einer Woche nicht mehr geregnet. Es sah auch aus, als

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