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Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Titel: Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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eine Ohnmacht näherte. Als ich in die Bewusstlosigkeit hinüberglitt, war mir, als legte ich eine Hülle ab, eine Hülle, die ich bisher für mein Ich gehalten hatte. Wie der Schmetterling, der die harte, vertrocknete Schale verlässt, in der er sich verpuppt hat.
    Ich war nicht mehr ich.
    Ich hatte nicht mehr diese Haarfarbe, diese Augen, diese Nase, dieses Kinn.
    Ich war eine Frau.
    Ich war jede Frau.
    Als ich wenig später im Krankenhaus zu mir kam, stand mein Date an meinem Bett. Dass er meine Hand hielt, beunruhigte mich. Er sah mich mitleidig an. Ich konnte ihn sehen. Er konnte mich sehen.
    Doch dann hörte ich, wie er mit den Schwestern sprach.
    „Nein, ich gehöre wirklich nicht zu ihr“, meinte er, und die Verwirrung stand auf seinem Gesicht. „Ich kenne sie nicht und weiß … nichts über sie. Ja, es stimmt, wir haben an einem Tisch gesessen, und wir sind wohl auch gleichzeitig eingetroffen, das habe ich bereits gesagt, aber … so etwas kommt vor. Sie scheint niemanden zu haben, also bin ich bis hierher mitgegangen. Wenn es möglich ist, würde ich jetzt gerne gehen. Ich bin überzeugt davon, dass sie sich bei Ihnen in guten Händen befindet.“
    Er zuckte die Schultern und blinzelte mir mit einem betretenen Lächeln zu. „Auf Wiedersehen, Unbekannte“, sagte er. Und ging.
    Seine Worte waren kein Schock für mich. Dazu war die Situation zu abgehoben, zu traumartig.
    Ich wusste, dass ich gerettet war.
    Obwohl ich mich noch hier befand, war ich verschwunden.
    Was der Mann hinter dem Zaun gerufen hatte, als er den leeren Revolver sinken ließ, stimmte jetzt nicht mehr. Sie kannten mein Gesicht nicht. Sie würden mich nicht finden. Sie würden mich niemals töten können.
    Und nur das allein zählte.

4
    Gegenwart
    Madoka hatte sich auf den Boden gelegt und mehrere leere Blätter Papier dort ausgebreitet. Zuerst fühlte es sich seltsam an, sich mit untergeschlagenen Beinen neben sie zu setzen, doch dann fiel Artur ein, dass es in Japan üblich war, auf dem Boden Platz zu nehmen. Einmal hatte er im Fernsehen gesehen, wie ein Japaner, der auf einem Stuhl saß, nach einer Weile seine Beine hochnahm und im Schneidersitz auf dem Stuhl hockte, als ermüde es ihn, lange Zeit die Füße auf dem Fußboden aufzusetzen. Eine verkehrte Welt, auch in den Details des Alltags …
    Auf die Blätter schrieb Madoka die Namen der Dozenten und Studenten von Falkengrund, dazu den Namen der Köchin. Nur ihren eigenen und den von Artur ließ sie aus.
    „Das hier ist nur ein erster Ansatz“, meinte sie, „um einen groben Überblick zu bekommen.“ Hinter den Namen zeichnete sie zwei Spalten ein. „Mit einem Plus markieren wir, wer uns verdächtig erscheint, mit einem Minus, wen wir eher ausschließen können. Können wir anfangen?“
    „Jederzeit“, antwortete Artur, der sich noch nicht recht vorstellen konnte, was das werden sollte.
    „Werner Hotten, Rektor“, begann die Asiatin. „Plus oder minus?“
    „Minus“, sagte Artur kurzentschlossen. „Der Mann wäre nicht fähig, uns hinters Licht zu führen. Er ist eine gute Seele.“
    Madoka trug in die erste Spalte ein Minuszeichen ein. Dann setzte sie, ohne eine Miene zu verziehen, in die zweite Spalte ein Plus. „Er ist Rektor, Hausmeister und Gärtner in einer Person“, konstatierte sie. „Das verschafft ihm die Möglichkeit, immer und überall gegenwärtig zu sein, ohne aufzufallen. Er kontrolliert die Dozenten und hat das Haus von allen Seiten im Blick.“ Sie zog das Pluszeichen noch einmal nach. „Und wir wissen nicht, warum und wie er Rektor von Falkengrund geworden ist. Auf mich macht er nicht den Eindruck, jemals eine andere Schule geleitet zu haben. Er ist ein einfacher Mann, kein Akademiker. Eine höchst ungewöhnliche Besetzung für diesen Posten, findest du nicht?“ Ein weiteres Mal machte sie das Pluszeichen dicker, bis es eine tiefe Vertiefung im Papier bildete.
    „Gott …“, murmelte Artur und starrte auf das Blatt. „Du glaubst doch nicht wirklich …“
    „Wenn es ein Komplott im größeren Stil ist, lässt es sich am besten von der Spitze aus durchführen.“ Sonst sagte sie nichts. Ihr Finger wanderte in die nächste Zeile. Dort stand Sir Darren Edgar . Sie sah Artur an.
    „Sir Darren?“ Artur blinzelte wie jemand, der gerade aus dem Schlaf erwacht war. „Na ja, er schien mir eher wie ein Außenseiter, nicht wie ein Teil der Gemeinschaft von Falkengrund. Wenn ich so darüber nachdenke, kommt es mir ein bisschen vor, als hätte er uns

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