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Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Titel: Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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einem Schachspiel keinen Würfel und keine Karten braucht, dafür aber sechzehn weiße und sechzehn schwarze Figuren, und er sieht auf den allerersten Blick, dass dieses Spiel unmöglich komplett sein kann. Das erstaunt ihn, weil es nicht zu der biederen, korrekten Art des Besuchers zu passen scheint.
    „Ein Schachbrett“, wird die Information derweil durch das Haus weitergegeben, durch den Flur hinter der Tür, einmal um die Ecke, an der Treppe vorbei, über die Schwelle bis in den Vorgarten hinaus, und anders als bei den Spielen, bei denen man sich reihum schwierige Wörter in die Ohren flüstern muss, kommt die Nachricht unverändert dort draußen an. „Der Fremde“, berichtet der letzte in der Reihe Stehende brühwarm einer bäuerlich gekleideten Frau, die mit angehobenen Röcken die Straße heruntergerannt kommt und sich keuchend und rotbackig der Ansammlung anschließt, „hat ein Schachbrett bei sich. Vielleicht will er mit jemandem spielen. Ein Schachmeister, der auf der Suche nach neuen Herausforderungen durchs Land zieht.“
    Sein Vordermann nimmt diese Information mit erhobenen Augenbrauen auf und gibt sie ein wenig zerstreut an seinen Vordermann weiter. Auch dieser ist von der aufregenden Situation so überfordert, dass er die Nachricht nach vorne weiterleitet, bis sie schließlich in der ersten Reihe ankommt, wo der Dorfälteste und der Bürgerrat sie verwirrt aufnehmen und sich gerade noch beherrschen können, sie an den Fremden weiterzugeben.
    Der Junge hat inzwischen die Figuren aus dem Schachbrettkoffer genommen, und obwohl es schöne, große Exemplare sind, passen sie alle zusammen auf eine seiner kleinen Handflächen. Es sind nämlich nur drei Stück. Ein weißer König und Turm, dazu ein schwarzer König. Zuerst hat er vor, sie auf ihre Positionen zu bringen, doch als er den Turm in der Ecke platziert hat, kommt es ihm lächerlich vor, und er stellt die Figuren etwas ratlos neben das Brett und wendet sich dem Fremden zu.
    „Damit kann man nicht spielen“, lautet seine Erkenntnis. Es ist eine Aussage, und wir haben zu einem früheren Zeitpunkt bereits festgestellt, dass Aussagen eine heikle Angelegenheit sind. Allzu leicht ist ein Gegenbeweis erbracht. Mit Fragen ist man allemal auf der sichereren Seite. Paul hätte gefragt: „Wie kann man mit nur drei Figuren Schach spielen?“ Aber Paul steckt im Mittelteil des Pulks fest, unweit der Frau des Dorfältesten, und der Mittelteil eines Pulks ist ein schrecklicher Ort, an dem man nicht viel denken kann außer: Wie komme ich hier wieder lebendig raus?
    „Es sind zu viele Leute da“, meint der Fremde und schaukelt ein wenig auf den Bettfedern, als würde ihm das Spaß machen. Wenn man genau hinsieht, scheint das Bett gar nicht mit zu federn. „Dieses ist ein Spiel, das viel Konzentration erfordert. Wenn du heute Abend alleine zu mir kommst, erkläre ich dir, wie das funktioniert.“
    „Erklärt es mir !“, befiehlt der Polizeihauptmeister. „Oder dem Rate.“ Man muss wissen, dass dieser Polizist immer „dem Rate“ sagt und niemals „dem Rat“. Er tut es, weil er den Rat nicht ausstehen kann und weil „Rate“ ein wenig wie „Ratte“ klingt, wenn man es schnell ausspricht, ohne dass der Rat sich deswegen beschweren kann. Grammatik ist schließlich Grammatik – nichts, wogegen man politisch vorgehen könnte.
    „Gerne“, antwortet der Fremde. „Aber zuerst möchte ich bei dem Jungen üben. Es ist etwas kompliziert, und wenn ich es so erklären kann, dass er es versteht, werdet Ihr es auch verstehen, was umgekehrt nicht der Fall sein muss, wie Ihr mir sicher zustimmen werdet.“
    Die drei honorigen Herren denken kurz nach, dann fällt ihnen auf, dass allzu langes Nachdenken sie dumm erscheinen lassen könnte, und sie nicken einvernehmlich. Trotzdem dauert es noch geraume Zeit, bis die Menge sich aufzulösen beginnt. Die meisten wollen das Schachspiel einmal mit eigenen Augen sehen und wundern sich über die drei Figuren. „Der schwarze König hat keinerlei Chance“, sagen einige von ihnen verstört, ohne zu wissen, was genau sie damit meinen.
    Nehmen wir eines vorweg: Den Personen, die diese Bemerkung fallen lassen, werden in den folgenden Tagen einige tragische Missgeschicke unterlaufen, die meisten davon sehr schmerzhaft, und ein paar wenige sogar tödlich.
    Zunächst jedoch ahnt noch niemand etwas von der Persönlichkeit des schwarzen Königs und von der Bedrohung, die seine Anwesenheit auf das Dorf ausübt. Auch Erik nicht,

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