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Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Titel: Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Windschatten der Grube. Wieder war in der Ferne ein Donner zu hören, ein trockenes, nicht enden wollendes Grollen.
    „Das ist … Sugaar?“, fragte Salvatore leise, doch der Wind riss ihm den Namen des Gottes von den Lippen, so dass er sich genötigt fühlte, ihn zu wiederholen.
    „Eindeutig. Er hat eine geschwungene Form.“ Stefane fuhr die Konturen des Steins ab, doch wieder brauchte es eine fast übermenschliche Vorstellungskraft, um nachzuvollziehen, was genau er damit meinte. „Eine Schlangenform.“
    „Stefane!“, rief Salvatore. Der Sturm dröhnte wie die tiefste Pfeife einer gewaltigen Kirchenorgel, und jetzt ebbten die Böen nicht mehr ab, sondern folgten in schnellem Rhythmus aufeinander. Giulias Haare wurden durcheinandergewirbelt, und es sah beinahe aus, als würde ihr Kopf in lodernden Flammen stehen. Noch immer regnete es nicht richtig. Einzelne Tropfen schwirrten herum wie Querschläger in einer Schlacht. Diese Art des Regnens war irritierend. So musste es sich anfühlen, wenn jemand aus einem Versteck heraus mit kleinen Steinchen nach einem warf …
    „Hast du mich wirklich in dieses … Schlammloch geführt, um mir deine Theorie über die baskische Mythologie zu unterbreiten?“ Je mehr Salvatore gegen den Wind anschreien musste, desto wütender wurde er. Es geschah ganz von selbst, ohne dass er etwas dazu konnte. „Du hättest mir ein paar Fotos nach Genua schicken können, weißt du das?“
    Vom Rand der Grube fetzte der Sturm kleine Erdbrocken und Grasbüschel und schleuderte sie den drei Menschen entgegen. Salvatore fluchte, als mehrere dieser Schmutzgeschosse an seinem Jackett zerplatzten. Giulias weißer Anzug wies schon eine große Zahl von Flecken auf, und das abenteuerlustige Glänzen in ihren Augen brachte den Mann, an den sie sich klammerte, beinahe zur Weißglut.
    „Keine Panik, das geht wieder vorbei“, behauptete Stefane. „Ich habe in den letzten Tagen meistens unter diesen Wetterbedingungen gearbeitet.“
    „Beantworte meine Frage!“, brüllte Salvatore. „Führen wir hier eine akademische Diskussion, oder was wolltest du von mir?“
    Plötzlich erschlaffte Stefanes Gesicht. Wie ein Geist stand er vor ihm, seine Haare und Kleider vom Sturm zerwühlt, sein Blick leer.
    „Nein“, sagte er. Er sprach so leise, dass Salvatore ihm das Wort von den Lippen ablesen musste. „Nein. Es ist keine akademische Diskussion. Ich möchte von dir wissen, Salvatore, ob …“
    Ein Bataillon zorniger Regentropfen prasselte auf die drei jungen Leute herab, Salvatore und Giulia duckten sich und schirmten ihre Gesichter mit den Händen ab, doch der Archäologe stand reglos vor ihnen, als wäre er selbst eine Statue. Das einzige, was sich an ihm bewegte, waren seine Lider. Sie flatterten. Und dann öffnete sich sein Mund wieder.
    „Ich möchte von dir wissen, Salvatore, ob Mythen Wirklichkeit sind …“
    Der Mann im dunkelblauen Anzug erstarrte. So, wie die Frage vorgetragen wurde, bot es sich nicht an, darüber zu lachen. Gleichzeitig spürte er, dass es nicht der richtige Moment war, um Binsenweisheiten von sich zu geben, von dem Körnchen Wahrheit, das sich in jeder Geschichte finden ließ, von den Dingen zwischen Himmel und Erde, die sich mit der Schulweisheit nicht erklären ließen. Es gab viele solcher Gemeinplätze, und sie standen alle bereit, doch Salvatore nutzte sie nicht.
    „Was?“, bellte er. „Wovon sprichst du? Drück dich klarer aus!“
    „Das geht nicht! Man kann es nicht erklären. Man muss es selbst erlebt haben. Marcel spürt gar nichts. Ich … habe ihn fast mit Gewalt hier runter gezerrt, aber er hat nicht darauf angesprochen.“
    „Auf was hat er nicht angesprochen?“
    „Auf das, was unter dem Stein ist …“
    Unvermittelt ging Stefane in die Hocke, so unvermittelt, dass es im ersten Moment so aussah, als sacke er kraftlos in sich zusammen. Zu seinem weggetretenen Gesichtsausdruck hätte es gepasst.
    Der Regen wurde stärker. Salvatore fluchte und trat neben seinen Freund. Ein, zwei Handbreit neben dem breit auslaufenden Stein lag eine grüne Plane auf dem Boden, nur ein kleines quadratisches Stück, ein ungeschickt abgerissener Fetzen von nicht einmal einem halben Meter Seitenlänge. Es war an den Ecken mit Steinen beschwert, und der Schlamm hatte eine unregelmäßige Bahn quer darüber gezogen.
    Stefane entfernte die faustdicken Steine und nahm die Plane ab. Eine Platte kam zum Vorschein, auf dem Grund eines etwa zwanzig Zentimeter tiefen Lochs. Sie war

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