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Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt

Titel: Schlangenspuk - Dorothea K. - Schachmatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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von dunkelgrauer Farbe, die an Schiefer erinnerte. Aus der Platte war ein Ornament herausgearbeitet – ein grobes Muster aus runden, schlangenartigen Formen. Dicke Linien wölbten sich hervor, Kreise und Spiralen, ineinander verschachtelt. Die Musterung erinnerte auf den ersten Blick an die verschlungenen Formen, die auf keltischen Kreuzen zu finden waren, war jedoch wesentlich gröber in der Ausführung, und die Linien kreuzten sich selten. Salvatore erinnerte sich an eine These, die keltischen Schlangenmuster gingen in Wirklichkeit auf die Pikten und damit letztlich auf die Basken zurück. Er war allerdings nicht Fachmann genug, um diese Theorie zu bestätigen oder zu widerlegen.
    Kaum hatte der junge Archäologe die Platte freigelegt, veränderte er sich.
    Ein Zucken durchlief seinen Körper, er verkrampfte sich, seine Hände krallten sich in die feuchte Erde und rissen ganze Klumpen davon heraus. Salvatore musste an einen epileptischen Anfall denken. Am schlimmsten war es, mit ansehen zu müssen, wie Stefanes Kopf von einer Seite auf die andere flog, und zwar so heftig, dass seine Ohren gegen die hochgezogenen Schultern knallten!
    Salvatore war im Begriff, Schmutz und Dreck zu vergessen und sich neben dem Freund auf die Knie zu werfen. Doch Giulia kam ihm zuvor. Sie löste sich von Salvatore, umklammerte den Hageren von hinten. Dann kramte sie ein Taschentuch aus ihrer engen Hose und stopfte es dem jungen Mann in den Mund.
    „Die Schlange – die alte Schlange – Sugaar – er ist überall“, würgte Stefane hervor. Sein Zwang zu sprechen war so stark, dass er sich das Taschentuch aus dem Mund riss. „Alles ist … die Schlange … alles …“
    „Was hat er?“, gurgelte Giulia mit panisch aufgerissenen Augen. „Was hat er?“
    Obwohl Salvatore nicht wusste, was er antworten sollte, hätte er irgendetwas gesagt, nur um sie und sich zu beruhigen. Doch er kam nicht dazu. Die Ereignisse überstürzten sich.
    Giulia legte ihre Hände auf seine Wangen, hielt seinen Kopf fest, damit er sich nicht verletzten konnte. Da geschah es. Als wäre ein furchtbarer Impuls von Stefane auf sie übergesprungen, verfiel nun auch sie in Zuckungen. Sie klammerte sich an dem Archäologen fest, doch gleichzeitig schlotterten ihre Glieder, ihre Augen drehten sich nach oben, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und aus ihrem hübschen kleinen Mund drang ein ganzer Schwall von Speichel. „Suga-a-a-a-ar“, gluckerte es in kurzen Stößen in ihrer Kehle, wie das Wasser in einem allmählich verstopfenden Abfluss.
    Salvatore streckte die Hände nach den beiden aus. Bevor seine Finger sie berühren konnten, zog er sie wieder zurück. Bei Giulia hatten die Zuckungen begonnen, als sie Stefanes Haut berührte. Es war geradezu lächerlich, darin einen Zusammenhang zu sehen, und doch – die Vorstellung, dass ihm dasselbe widerfuhr, sobald er die beiden anfasste, lähmte ihn. Was sahen sie? Schlangen? Was meinte Stefane mit „alles ist die Schlange“? Er brauchte ihn nur zu berühren, dann würde er es wissen. Aber dann? Was würde dann mit ihm, mit ihnen geschehen?
    Der Himmel war zu einem Schlachtfeld geworden. Blitze zuckten weiß und kantig aus den Wolken hervor, schälten die Konturen der Dampfgebilde heraus. Die Regentropfen taten etwas sehr Unwahrscheinliches: Sie jagten aus unterschiedlichen Richtungen heran und kollidierten miteinander. Man war beinahe versucht zu glauben, dass der Sturm von zwei Seiten kam. Ein Phänomen, für das es irgendeine natürliche Erklärung geben musste.
    Zwei stumme Steine standen ungerührt im Regen und boten ihre eigene Art von Erklärung an.
    Eine mythische Erklärung.
    Salvatore stampfte auf, dass der Schlamm spritzte. Erklärung hin oder her, er konnte nicht länger zusehen! Stefane und Giulia schienen unter Strom zu stehen. Er stemmte sich gegen den Wind, vor dem die Grube keinen echten Schutz mehr bot, und packte zu. Ergriff den Ärmel des Archäologen und zerrte den jungen Mann mit einem Ruck von dem Ort am Fuße des Steins. Dabei achtete er darauf, dass er Stefanes Haut nicht direkt berührte.
    Trotzdem spürte er, wie sich etwas veränderte. Schwach zwar, aber unleugbar.
    Die Umgebung schlug Wellen. Kleine Wellen, ripples , wie die Engländer zu sagen pflegten. Nicht wie ein sturmgepeitschter Ozean, sondern wie eine eben noch glatte Wasserfläche, in die jemand einen Stein geworfen hatte. Das Erdloch mit der Platte darin war der Mittelpunkt. Von dort ausgehend breitete sich ein

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