Schlankheitswahn (Ein Fall für Lizzy Gardner) (German Edition)
Verteidigung, war sich da jedoch nicht so sicher. »Und du hast mir nicht Bescheid gegeben, dass du vorbeikommen wolltest.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich schwöre, dass ich hier im Garten jemanden gesehen habe. Ich dachte, vielleicht bist das du und deine Freundin.« Er sah zu den hohen, dunklen Bäumen in der Ecke des Gartens hinüber. »Ich hatte keine Ahnung, dass deine Freundin das Grundstück bewacht und ein Messer trägt.«
»Sie ist nicht meine Freundin.«
Casey fuhr sich mit der Hand durch seine langen, zerzausten Haare. Jessicas Bruder hatte die beiden vor ein paar Monaten miteinander bekannt gemacht. Casey war fünfundzwanzig und hatte einen Vollzeitjob in einem Supermarkt. Sie hatten sich erst einpaarmal getroffen und sie fand ihn witzig. Er roch tatsächlich nach Bier, aber sie sagte nichts, da sie ihn noch nicht lange kannte und ihn nicht vergraulen wollte. Jessica rieb ihre Arme. »Wenn sie Mrs Warner und Lizzy erzählt, dass du hier warst, verliere ich womöglich meinen Job.«
»Mach dir keinen Kopf deswegen«, sagte er. »Wenn sie schlau ist, sagt sie kein Wort. Sie will bestimmt nicht, dass jeder weiß, dass sie ein Messer mit sich herumträgt und sich wie Rambo benimmt. Die Tussi ist echt nicht ganz dicht«, murmelte er.
Jessica seufzte. »Du solltest jetzt lieber gehen. Ich muss wieder rein.«
Casey brach sofort auf und ging in die Richtung, aus der er gekommen war. »Ich ruf dich demnächst an.«
Sie sah ihm nach und dachte, dass sie schon wieder eine Niete gezogen hatte.
Kapitel 25
Hungertod
Sierra Nevada, einundsechzigster Tag
Vivian stand auf und wartete, bis die Benommenheit vorüber war, ehe sie in die Küche ging. Sie wusste, dass sie etwas essen musste, hatte aber keinen Appetit.
Und zwar auf rein gar nichts.
Selbst bei dem Gedanken an Cupcakes mit Frischkäse wurde ihr speiübel.
Seit Melbournes letztem Besuch waren bereits drei Wochen vergangen. Kaum hatte er die Hütte verlassen, begann sie damit, nur noch flüssige Nahrung zu sich zu nehmen, zum Beispiel Hühnerbrühe. Außerdem trainierte sie drei bis vier Stunden täglich auf dem Laufband.
Melbourne bildete sich doch tatsächlich ein, dass er ihr einen Gefallen tat. Er hatte behauptet, dass der Vertrag, den sie unterschrieben hatte, eine Klausel enthielt, die den Rücktritt ausschloss. Daran konnte sie sich zwar nicht erinnern, aber das war jetzt auch egal. Sie konnte sowieso nichts mehr machen.
Falls es ihr nicht gelang, von hier zu entkommen, war sie nur eine von vielen Vermissten, deren Konterfei man ständig aufMilchtüten sehen konnte. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass jemand mit ihrer Mutter sprach. Obwohl sie kaum Kontakt zu ihrer Mutter hatte, hatte sie bei ihr angerufen, bevor sie von zu Hause aufgebrochen war. Sie wollte einfach auf Nummer sicher gehen und wenigstens einer Person Bescheid sagen, wo sie war. Dabei hatte sie sogar Melbournes Namen erwähnt. Ihre Mutter war jetzt ihre einzige Hoffnung.
Vivian hatte über die Jahre alles getan, damit andere Leute sie in Ruhe ließen. Sie bezahlte sogar ihre Miete regelmäßig im Voraus, um den Kontakt mit ihrem Vermieter auf das absolute Minimum zu beschränken. Die paar Male, die er unangemeldet vor ihrer Tür gestanden hatte, hatte sie ihm ordentlich ihre Meinung gesagt.
Karma, dachte Vivian. Ihr Karma rächte sich jetzt.
Wie schon oft zuvor, musste sie wieder an Diane denken. War Diane auch hier gewesen? Vivian hatte jeden Tag mehrere Stunden damit verbracht, nach Hinweisen zu suchen, bisher erfolglos. Es war schwer zu erkennen, ob sich jemand vor ihr in der Hütte aufgehalten hatte.
Melbourne hatte eindeutig einen Putzfimmel. Er brauchte nur etwas zu berühren und schon wischte er die Stelle sauber und rieb sich die Hände wie verrückt mit Desinfektionsmittel ein. Bei seinem letzten Besuch hatte er sämtliche Haushaltsgeräte und Küchenschränke sauber gemacht. Warum bezahlte er nicht andere dafür? Er war ja schließlich ein viel beschäftigter Mann. Aber vielleicht wollte er nicht, dass außer seiner Assistentin Jane jemand von dieser Hütte wusste, und davon, was dort vorging.
Melbourne hatte ein wenig erregt gewirkt, als er ihre Körpermaße gemessen hatte, allerdings nicht sexuell. Sein Verhalten ließ sich treffender mit dem Wort »besessen« beschreiben – besessen von einem Sauberkeitsfimmel, besessen von ihren Körpermaßen und ihrem Gewicht.
Obwohl ihm ihre Gewichtsabnahme zu gefallen schien, verrieten seine Blicke weder
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