Schlecht aufgelegt (German Edition)
jetzt …?»
Bernauer zeigte zu einem der beiden Fenster, die zur Straße hinausgingen. «Schauen Sie mal da raus. Da gegenüber, im gleichen Stockwerk. Da sitzen wir.»
«Was, wieso das denn?», fragte Paul entsetzt. «Dürfen Sie das denn?»
«Die Leute, die da wohnen, sind sehr nett. Kochen sogar Kaffee für uns. Die wollen keine Terroristen in der Nachbarschaft.» Der Kommissar warf einen mitleidigen Blick auf Kulis Plattensammlung und dann auf Kuli, als wäre der ganze Raum voller kleiner, blauer Schlumpf-Figuren.
«Was denn für Terroristen?», fragte Kuli fassungslos, doch Bernauer winkte ab.
«Sie sind nach wie vor unsere einzige greifbare Spur. Nicht, dass es nicht noch ein paar andere Personen in Lisa Gerhards Umfeld gäbe, die interessant für uns wären. Aber Sie waren am Tatort. Zur Unzeit. Und Sie geben sich wirklich enorme Mühe, verdächtig zu wirken, das muss ich schon sagen.»
«Echt?», fragte Kuli.
«Wieso das denn?», fragte Paul.
Bernauer bedachte Paul mit dem wahrscheinlich schärfsten Blick, zu dem seine trüben Augen fähig waren. «Sie zum Beispiel, Herr Uhlenbrock», führte er aus. «Warum haben Sie mich nicht zurückgerufen?»
«Wann denn?»
«Gestern.»
«War ich nicht zu Hause. Und heute ist Samstag.»
«Dass Sie nicht zu Hause waren, weiß ich.» Der Kommissar fing schon wieder an, nervös seine Taschen abzuklopfen. «Was machen Sie beide eigentlich immer in dieser Telefonzelle?», fragte er dann. «Um diese Uhrzeiten? Wen rufen Sie da an? Und jetzt tun Sie bitte nicht so überrascht, Sie wissen doch, dass wir Sie beobachten.»
«Das geht Sie nichts an», blockte Paul ab, bevor Kuli irgendwelchen Blödsinn erzählen konnte.
«Alles geht mich etwas an», erwiderte Bernauer und fand seine Kippen praktischerweise neben seinem Feuerzeug. Beides sah ramponiert aus, als er es hervorzog.
«Da müssen Sie schon Gewalt anwenden», sagte Paul. «Folter.»
«Wir foltern nicht», seufzte Kommissar Bernauer, als würde er dies durchaus bedauern. «Aber wir haben natürlich unsere Methoden. Ihre sexuelle Orientierung?»
«Was?», fragte Paul.
«Ob Sie schwul sind», präzisierte der Kommissar und klopfte eine Zigarette aus der Schachtel.
«Hetero», sagte Kuli. «Wir beide. Gemeinsam. Was aber nichts gegen Schwule … also, falls Sie …»
«Das hat doch nichts mit mir zu tun», wiegelte Bernauer verärgert ab. «Wir wissen mittlerweile, dass Lisa Gerhard am Tag ihrer Ermordung keinen Geschlechtsverkehr hatte. Irgendjemand hatte es aber womöglich darauf angelegt. Wir haben etliche Hämatome gefunden, Würgemale und so weiter. Sie haben Glück, dass Ihre Fingerabdrücke zwar am Tatort zu finden waren, aber nicht in unmittelbarer Nähe der Leiche.»
«Woher haben Sie denn unsere Fingerabdrücke?», fragte Paul erstaunt.
«Von Ihren Kaffeebechern. Im Call-Center.» Der Kommissar machte eine kleine, dramaturgisch kunstvoll gesetzte Pause. «Wissen Sie, was ich mich frage?» Paul wurde angst und bange. «Nein», sagten Kuli und er fast gleichzeitig.
«Darf ich hier rauchen?»
Paul atmete erleichtert durch. «Klar.»
«Auf keinen Fall», protestierte Kuli. Kommissar Bernauer quittierte das Verbot mit einem Hustenanfall, der einem Drachen gut zu Gesicht gestanden hätte.
«Vielleicht sollten Sie lieber überhaupt nicht rauchen», sagte Kuli fürsorglich, was Bernauers zerknautschtes Gesicht noch weiter zerfurchte.
«Ich sag Ihnen jetzt mal was, Herr Kulenkampff …», begann er und hustete erneut.
«Ja?»
«Ich habe nur noch dreiundfünfzig Prozent meiner Lungenkapazität», erklärte der Polizist. «Trotz Lungen- und Bronchialwäsche.»
«Oh, das tut mir leid», befand Kuli. Paul beschloss ein weiteres Mal, mit dem Rauchen so bald wie möglich aufzuhören.
Bernauer aber schüttelte den Kopf. «Das heißt, noch drei Prozent weniger, und ich kann in Rente gehen. Verstehen Sie?»
Paul und Kuli nickten langsam. Der Kommissar zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Dann ließ er die Asche bewusst nachlässig auf den Dielenboden fallen. «Wir sind übrigens nicht die Einzigen, die Sie beobachten», sagte er.
«Nein?» Kuli tat überrascht.
«Nein. Da unten stehen ein paar Jungs rum, hübsch auffällig unauffällig.» Der Kommissar nahm noch einen Zug. «Bomberjacken, muskelbepackt, kurzgeschoren.»
«Mensch, Kuli, was hast du denn ausgefressen?», fragte Paul empört.
«Ich?» Kuli war entsetzt über so viel Illoyalität. «Jetzt hör aber mal auf!»
«Schon
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