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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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ausgerechnet hier so viele Ausländer leben, wo sie doch angeblich keiner leiden mag!«
    »Zufall!«
    »Nee, die machen auch alle einen ziemlich entspannten Eindruck.«
    »Hallo, wer spricht denn da? Kenne ich Sie? … Falsch verbunden … Also, du hörst dich an wie … keine Ahnung wie, aber du hörst dich nicht nach dir selbst an. Vielleicht geben die ja in München was ins Wasser!«
    »Das ist doch Quatsch. Apropos Wasser. Das Wasser, das hier aus der Leitung kommt, schmeckt wie frisch aus der Bergquelle. Wahnsinn.«
    »Du hast noch nie Wasser aus einer Bergquelle getrunken.«
    »Ja, schon gut. Aber es ist wirklich lecker. Francesca ist hin und weg. Noch zwei Wochen, und die hat einen Wasserbauch.« Das stimmte wirklich, Francesca, aufgewachsen in der Gluthitze italienischer Sommer, war bereit, für gutes Wasser zu morden. Was hatte ich in Berlin immer an Kisten geschleppt! Und dann sagte ich zu Thomas: »Eigentlich ist München ziemlich cool.«
    Schweigen am anderen Ende der Leitung. Eine Ewigkeit lang.
    »Thomas? … Thomas? Ich kann dich atmen hören. Du hörst dich an wie ein perverser Sexanrufer!« Nur langsam gewann Thomas seine Fassung wieder: »Kann es sein, dass sich deine Lippen bewegen, bevor dein Gehirn zu arbeiten beginnt? Ich glaube, du bist der erste Mensch auf der Welt, der behauptet, dass München cool sei.«
    »Nein, es ist komisch, ich versteh es ja auch nicht ganz, aber irgendwie machen die Leute hier alle einen sehr gelassenen Eindruck. Klar, es gibt auch wahnsinnig viele Typen, die voll auf diesen geleckten Lifestyle-Illustrierten-Style abfahren. Die sehen aus, als wären sie direkt aus der ›Glamour‹ oder der › GQ‹ entsprungen, und führen sich auf, als hätten sie einen Stock im Hintern. Aber dann spazierste abends durch den Hofgarten, und da wird Boule gespielt. Von echten Franzosen. Und dann tanzen da auch Leute. Tango. Einfach so. Da gibt es so einen kleinen Pavillon in der Mitte des Gartens. Da wird Musik gemacht und getanzt. Jeden Sonntagabend. Das ist total schön. Und sobald die Sonne scheint, sind alle Leute immer draußen. Auch tagsüber, als ob keiner arbeiten müsste. Neulich haben wir eine Stunde lang den Windsurfern auf der Theresienwiese zugeschaut. Das ist auf dem Platz, wo sonst das Oktoberfest stattfindet. Oskar war begeistert. Und den Englischen Garten sollteste mal sehen.«
    »Ich kenne den Englischen Garten.«
    »Siehste, aber wieso haste denn nicht erzählt, dass man da jeden Tag zum Kicken gehen kann, weil immer irgendwer Fußball spielt? So viel Grün, mitten in der Stadt. Und weißte, was ich mittlerweile am besten finde? Man braucht gar kein Auto in München. Kannst überall mit dem Fahrrad hinfahren. Gibt auch fast überall Radwege. Totaler Luxus.«
    »Radwege?« Thomas klang entsetzt.
    »Ja, Radwege!«
    »Tschuldige, Ich glaub nicht, dass es der Menschheit dank Radwegen einmal besser gehen wird.«
    Die gefühlte Gesprächstemperatur lag mittlerweile bei minus zwanzig Grad. Irgendwie kam meine München-Schwärmerei bei Thomas nicht so gut an. Aber es stimmte nun mal. München war anders und die Münchner sowieso. In einem kleinen Café in Schwabing hatte ich vor einigen Tagen ein Bild entdeckt. Eigentlich war es kein Bild, sondern ein gerahmter Sinnspruch. »Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon, der in München wohnt.« Besser kann man das typische München-Gefühl nicht auf den Punkt bringen, diese eigenartige Mischung aus Entspannung, Entrückt-Sein und Ordnungsliebe. Dreimal war es uns bereits passiert, dass wir hilflos über unseren Stadtplan gebeugt nach dem rechten Weg gesucht hatten und jemand angehalten hatte, um zu fragen, ob er helfen könne. Einmal war eine ältere Frau sogar von ihrem Fahrrad abgestiegen und bestand darauf, uns zu bringen, da sie in die gleiche Richtung müsse. Nachdem die Dame herausgefunden hatte, dass Francesca Italienerin war, war sie ganz entzückt und führte das Gespräch in holprigem Italienisch weiter. Als wir am Ziel waren, sackte die Dame auch noch unsere Telefonnummer ein, schließlich würde sie ja immer wieder Leute kennen, die auf der Suche nach einem Privatkurs für Italienisch seien, und sie würde die Nummer gerne weitergeben, da Francesca ja als Lehrerin arbeitete. Und vielleicht bekomme sie auch selbst mal wieder Lust, an ihrem Italienisch zu arbeiten. Sie würde sich dann bei Francesca melden. Zwei Wochen später rief sie an.
    »Weißt du, du hast ja recht«, sagte Thomas. »Mir ging es damals,

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