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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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als ich in München gewohnt habe, ganz ähnlich wie dir jetzt. Aber du musst aufpassen. München ist gefährlich. Das ist ein eigener Kosmos, in dem man schnell vergisst, welche Probleme es in der wirklichen Welt gibt.«

12. Kapitel: In welchem ein Berliner einen Berg rufen hört und das Gefühl nicht loswird, dass es sich dabei um Beschimpfungen handelt
    Max Brunner besaß ein Haus mit Garten in Harlaching. Das war fast schon in Grünwald, dem Münchner Villen- und Promiviertel. Aber eben nur fast. Wir hatten uns sonntags zum Brunchen verabredet. Nach dem Essen wollten die Kinder unbedingt im Baumhaus im Garten spielen. Der Eingang des Holzhauses in drei Metern Höhe war allerdings nur über ein Seil zu erreichen, das leider abgerissen war, weshalb Max und ich in den Keller gegangen waren, um ein neues zu holen. Im Keller von Max sah es aus wie in einem kleinen Sportgeschäft. In einem Regal lagen ein gutes Dutzend Bälle – mehrere Fußbälle, ein Basketball, ein Volleyball für die Halle und einer für den Strand. Neben den Skiern und Snowboards, die ordentlich an eine Wand gehängt waren, befanden sich auch zwei Eishockeyschläger. Es gab mehrere Schlitten, ein Rennrad, zwei Trekkingräder und zwei City-Bikes. In einem Regal, das bis unter die Decke ging, waren rund drei Dutzend Schuhe gestapelt: Bergstiefel, Laufschuhe, Tennisschuhe, Schlittschuhe, Fußballschuhe. Konnte eine Familie wirklich so viel Sport treiben? Sie konnte. Nach dem, was mir Max erzählte, schienen er, seine Frau und seine Kinder ständig unterwegs zu sein. Im Sommer vor allem wandern, radeln oder in den umliegenden Seen schwimmen. Im Winter standen Schlittschuhlaufen, Eishockey, Skifahren, Rodeln, Snowboarden und Skitouren auf dem Programm. Auf einem Schrank neben dem Schuhregal stand »Zelte« zu lesen. Anscheinend schien Max auch davon mehrere zu besitzen.
    »Wie viele Zelte habt ihr denn?«, wollte ich wissen.
    »Vier!«
    »Wozu brauchst du vier Zelte?«
    »Ein Familienzelt für fünf Personen, wenn wir alle gemeinsam unterwegs sind. Zwei Zwei-Mann-Zelte, eines für mich und Rose und eines für die Zwillinge. Und dann habe ich noch ein winziges Biwakzelt, falls ich es mal bei meinen Touren, die ich alleine gehe, nicht schaffe, rechtzeitig vom Berg abzusteigen, und irgendwo notzelten muss.«
    Notzelten? In den Bergen? Bisher hatte ich Max als einen vernünftigen, dreifachen Familienvater kennengelernt, soweit man von einem Bayern als vernünftig sprechen konnte. Die Notzelten-Seite seiner Persönlichkeit war mir bisher verborgen geblieben. Ich hätte es besser wissen müssen. Max war in den Bergen groß geworden, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Aschau. Seine Mutter war Lehrerin an der Grundschule, sein Vater Bauer. Mit sechs konnte Max bereits lesen, schreiben und Traktor fahren. Sehr zum Missfallen seiner beiden älteren Brüder, die das pfiffige Nesthäkchen wohl öfter mit auf ihre Abenteuertouren mitnehmen mussten, als ihnen lieb gewesen war. Klar, dass so einer in der Natur zu Hause war. Ich dagegen war ein verwöhntes Stadtkind.
    »Habt’s ihr keine Berge droben in Berlin, gell?«
    »Schuldenberge! Nur Schuldenberge haben wir. Höher als die Zugspitze!«, entgegnete ich lachend.
    »Hast Lust?« Max schaute mich herausfordernd an. Da war es schon wieder. Diese knappe Art zu sprechen. Worauf sollte ich Lust haben? Manchmal, wenn Max im Büro mit einem Kollegen sprach, hatte ich den Eindruck, dass sie mit einem Minimum von Wörter auskamen. Der Großteil an Informationen wird anscheinend telepathisch übertragen.
    »Servus! Und?«
    »Schee war’s. Oben aufm Hundskogel. Und selber?«
    »Sonnenspitze.«
    »Wie viel?«
    »In fünf Stunden.«
    »Sauber!«
    »Kennst die Nordroute?«
    »Dreimal ganga.«
    »A Draum, gell?!«
    Das Außergewöhnliche an diesen Steno-Gesprächen war, dass hinterher trotzdem jeder alles über das Wochenende des anderen zu wissen schien! Da ich noch nicht in die Regeln dieser typisch bayerischen knappen Informationsübertragung eingeweiht war, musste ich in solchen Gesprächen leider immer wieder nachfragen, worauf mein Gegenüber eigentlich hinauswollte. So auch dieses Mal.
    »Lust? Worauf denn?!«, erkundigte ich mich bei Max.
    »Auf a Bergtour. Nur wir zwei. Kinder und Frauen bleiben daheim, damit wir gescheit kraxeln können.«
    »Nö, du lass mal. Ich hab eh nie verstanden, warum ihr in Bayern immer so ein Trara um die Berge macht. Ich find das ziemlich öde, stundenlang stumpfsinnig vor sich hin zu

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