Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
einen anderen Weg einfallen lassen muss, um an sein Ziel zu gelangen. Ich hatte es ja selbst oft genug erlebt. Die arme Frau Pschierer.
»Buona fortuna – Viel Glück«, wünschte ich artig und ging duschen.
Als Francesca nach zwei Stunden noch immer nicht zurück war, dachte ich mir nichts dabei. Nach drei Stunden überlegte ich, ob ich nicht besser ein Stockwerk tiefer klingeln sollte. Ich horchte in den Hausflur. Von unten hörte man Musik. Jim Morrison verkündete gerade »This Is The End«. War es aber ganz offensichtlich nicht, denn danach ging es gleich mit »Riders On The Storm« weiter. Frau Pschierer gab offensichtlich ihre Lieblingsklassiker zum Besten. Vier Stunden später lag ich auf dem Sofa und war über Hape Kerkelings »Ich bin dann mal weg« eingeschlafen. Francesca hatte mir das Buch geschenkt, damit ich mich auch mental auf die Wanderung mit Max vorbereiten konnte. Doch die geistige Erbauung wollte sich nicht so recht einstellen. Genauso gut hätte ich das Buch eines Elefanten über Nähtechniken lesen können, um endlich zu erfahren, wie man Knöpfe an Jacken annäht, sodass diese nicht zwei Wochen später bereits wieder abfallen. Egal, wenigstens war das Buch immer mal wieder lustig.
Das Kratzen des Schlüssels im Schloss weckte mich. Francesca war von ihrer Mission zurückgekehrt. Endlich. Aber war das überhaupt Francesca? Mich hatte eine tatendurstige lebensfrohe Italienerin verlassen. Doch die Frau, die da plötzlich in der Wohnzimmertür stand, kam wie in Trance auf mich zu, ein seltsames Lied auf den Lippen. Ohne ein Wort zu sagen, setzte sie sich zu mir aufs Sofa, schmiegte sich an mich und begann an meinen Ohrläppchen zu knabbern.
»Ciao, amore!«, begrüßte ich sie.
Francesca kicherte. Mittlerweile war sie mit ihrer Zunge vom Ohr zum Hals runter gewandert. Ihr haftete ein eigenartiger Geruch an.
»Sag mal, hast du geraucht?«
Francesca gab ein gurrendes Geräusch von sich, das alles hätte bedeuten können. Ich schob den liebestollen Vamp von mir weg und machte mich auf die Suche nach Francesca. Ihren langsamen und schwerfälligen Bewegungen nach hatte Francesca nicht nur geraucht, sondern auch ordentlich was getrunken. Ich setzte mich auf und schaute ihr in die Augen. Glasig, rot und mit riesigen Pupillen.
»Hast du nun geraucht? Oder kommt das von diesen Räucherstäbchen?«, wollte ich von ihr wissen.
»Was für Räucherstäbchen?«
»Na die, nach denen es immer bei Frau Pschierer riecht.«
Francesca lachte wieder.
»Das sind keine Räucherstäbchen. Das ist Gras!«
»Wie bitte?«
»Marihuana!« Tja, das hat man also davon, wenn man eine drogenfreie Jugend im Osten verbracht hatte. Man kann Räucherstäbchen nicht von Cannabis unterscheiden. Ich war entsetzt.
»Frau Pschierer kifft!?«
»Psst«, Francesca legte einen Finger auf ihre Lippen. »Sei still«, befahl sie und fingerte an meinem Gürtel. Es gibt Momente im Leben, in denen sollte ein Mann auf das hören, was seine Frau ihm sagt. Dieser war ganz bestimmt einer von ihnen.
»Was ist eigentlich mit dem Rezept?«, fragte ich Francesca, nachdem wir ins Bett gegangen waren. »Hattest du Erfolg?«
»Welches Rezept?«, murmelte Francesca und schlief ein.
Mannomann. Francesca schien vollkommen vergessen zu haben, warum sie überhaupt zu Frau Pschierer gegangen war. Die war ja eine harte Nuss. Sie hatte es tatsächlich geschafft, einen Angriff von Francesca abzuwehren. Zwar unter Zuhilfenahme illegaler Betäubungsmittel, aber gewonnen ist gewonnen. Von der Frau konnte ich noch eine Menge lernen. Ich erinnerte mich daran, wie ich Oskar vor unserem Umzug merkwürdige Menschen versprochen hatte, die merkwürdige Dinge tun. An eine kiffende Hippie-Oma hatte ich dabei nicht gedacht.
17. Kapitel: In welchem es endlich auf den Berg geht, Erschöpfung mit Weissbierspülungen geheilt werden und ein Berliner das erste Mal im Leben dem Chor der Schnarcher lauschen darf
Max hatte aus der Watzmannbesteigung eine kleine Rundtour werden lassen. Widerstand war zwecklos. Das Mehr an Schinderei erklärte er kurzerhand zum Segen: »Wenn du schon mal oben bist, wär’s ja schad, gleich wieder runterzulaufen.« Vier Tage würden wir unterwegs sein. An einem Mittwoch sollte es losgehen. Francesca war voller Vorfreude. Kein Wunder, schließlich würde sie in diesen Tagen nicht vollkommen verschwitzt in den Bergen herumhecheln müssen, sondern ich.
»Ich freu mich, dass ihr die Tour macht«, sagte sie mir immer wieder.
»So wertvoll
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