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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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ist meine Lebensversicherung nun auch wieder nicht«, knurrte ich zurück, als es mir zu viel wurde. Den bösen Blick, den Francesca mir zuwarf, hatte ich mir verdient. Vielleicht hätte ich mich ja auch mehr freuen können, wenn nicht diese Heidenangst gewesen wäre. Die Sache mit der Wanderung hatte sich sogar schon im Verlag herumgesprochen. Einige Kollegen wünschten mir viel Glück und Erfolg. Andere betrachteten mich, als wäre ich bereits Geschichte, ein Reisender zwischen den Welten. Max hatte mir eine komplette Wanderausrüstung zusammengestellt: Jacke, Hosen, Pullover und ein paar Funktionsshirts. Nur die Wanderschuhe musste ich mir selber kaufen und einlaufen. Es war nicht leicht, die spöttisch-verwunderten Blicke zu ertragen, wenn ich mit Francesca, Oskar und den etwas klobigen Wanderschuhen an den Füßen am frühen Abend die Isar entlangspazierte. In drei Wochen wollten wir starten.
    Es hatte nur eine Stunde gedauert, und ich hasste die ganze Welt. Ich hasste meinen Rucksack, weil er so schwer war und an meinem Rücken scheuerte. Ich hasste den Weg, weil er ständig nach oben ging. Ich hasste meine Haare, weil sie mir ständig in die Stirn und über die Augen fielen und mich das immer wieder aus dem Tritt brachte. Ich hasste meine Arme, weil ich nicht wusste, wohin damit. Ich hasste den Schweiß, den ich mir immer wieder von der Stirn wischen musste, weil er mir sonst in die Augen lief. Ich hasste die Zeit, die nicht vergehen wollte, zehn Minuten fühlten sich an wie eine Stunde. Ich hasste Max, weil er mir diese Wanderung vorgeschlagen hatte. Ich hasste mich selbst, weil ich mich darauf eingelassen hatte und weil ich mich so schlapp fühlte und es wahrscheinlich auch war. Hieß es nicht immer, der Weg sei das Ziel? Dann waren wir doch bereits angekommen. Und konnten umkehren. Und was nutzte mir die wundervolle Aussicht, wenn ich sie nicht sehen konnte? Weil ich ja Schweiß und Haare in meinen Augen hatte und ich sowieso lieber nur auf meine Füße schaute, damit ich sie ja an die richtige Stelle setzte! Wenigstens rann bei Max der Schweiß genauso wie bei mir.
    Nach zwei Stunden hatte ich aufgehört zu denken. Ich hatte auch aufgehört zu hassen. Gerne hätte ich ganz aufgehört, irgendetwas zu fühlen. Vor allem die Schmerzen an meiner Schulter und dem Rücken. Mein Gehirn war nur noch imstande, meine Schritte zu begleiten. Linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß. Durchschnaufen. Linker Fuß, rechter Fuß. Linker Fuß, rechter Fuß. Durchschnaufen. Es fühlte sich ein bisschen an, wie zu meditieren. Allerdings hätte ich es lieber auf die herkömmliche Art getan: irgendwo sitzen, tief ein- und ausatmen und die Welt um einen herum vollkommen vergessen.
    Wenigstens wusste ich jetzt, was Max damit gemeint hatte, dass der Anstieg die ersten vier Stunden »knackig« sei. Knackig bedeutete nichts anderes, als dass es permanent bergauf ging. Und das nicht etwa in angenehmen ausladenden Serpentinen, nein, immer nur schön steil. Bis wir am Watzmannhaus endlich eine längere Pause machten.
    Obwohl uns der Weg zum Hocheck, dem ersten der drei Watzmanngipfel, noch einmal drei Stunden Kletterei beschert hatte, waren mir Auf- und Abstieg ohne den Rucksack sehr viel leichter gefallen. Hatte ich mir neben dem Gold-Jesus, dem Gipfelkreuz oben am Hocheck, noch schreckliche Gedanken übers Runterkommen gemacht, bewegten sich meine Füße die letzte Stunde beinahe wie von selbst. Siebeneinhalb Stunden waren wir gelaufen, mit den zwei Stunden Pause, die wir insgesamt auf dem Weg gemacht hatten, waren wir gut neun Stunden unterwegs gewesen. Max war sehr zufrieden, geradezu euphorisch. Da wir wie geplant um sieben im Tal losgegangen waren, war es gerade einmal sechzehn Uhr. Normalerweise saßen wir um diese Zeit noch im Büro.
    »Super san mir gelaufen! Tolles Tempo. Des hätt ich dir vorher gar net zugetraut. Und? S’war doch gar net so schlimmm, gell?«
    Wenn Max auf dem Weg hier hoch in der Lage gewesen wäre, meine Gedanken zu lesen und somit erfahren hätte, dass ich ihm, und – wofür ich mich jetzt besonders schämte – auch seiner Familie, wirklich schlimme Dinge gewünscht hatte, wäre er mir gegenüber sicherlich nicht so euphorisch aufgetreten. Ich behielt das besser für mich. Ich hatte die Rentner-Combo, die uns so locker überholt hatte, wiederentdeckt. Die waren ein super Tempo gelaufen. Die alten Herren brachten sich bereits mit Weißbierspülungen wieder in Form und sonnten sich wohl schon

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