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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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eingejagt hast?!«, stellte ich Max zur Rede.
    »Freilich! I wollt halt wissen, ob du a gestandnes Mannsbild bist. Oder ob du dich im letztn Moment davonschleichen tust.«
    Wir machten noch einige Bilder und gingen weiter. Bis ich nicht mehr weiterkonnte. Wir waren doch noch an eine Stelle angelangt, an der ich keinen Schritt mehr gehen wollte und an der mir die Erkenntnis über die Bildperspektiven kein Trost mehr war. Der Weg zur Mittelspitze des Watzmanns führte an dieser Stelle über eine vielleicht vierzig Grad steile, glatt geschürfte Felsplatte. Die Platte war etwa fünfzehn Meter breit. Links und rechts begann der Abgrund. Ich wusste nicht, warum, aber ich hatte Angst, auszurutschen. Obwohl es keinen objektiven Grund dafür gab, konnte ich nicht weiter. Ich blieb stehen und spürte zum ersten Mal an diesem Tag meinen Herzschlag. Vor lauter Konzentration auf den nächsten Schritt hatte ich das permanente Tuckern bis dahin gar nicht so richtig wahrgenommen. Doch damit war es vorbei. Die Beklemmung schnürte mir die Brust zu. Max stand dicht hinter mir. Wahrscheinlich dachte er, dass ich nur kurz durchschnaufen wolle. Nach einer Weile drehte ich mich zu ihm und zeigte auf die Felsplatte. Ich sagte: »Ich kann nicht weiter.« Meine Augen sagten: »Ich habe Angst.«
    Ich erwartete irgendeinen blöden Spruch. Oder Spott. Aber Max nickte: »Mach ma a Pause. I kenn des.« Er erzählte mir, wie er einmal mit Anna gewandert war, die beim Abstieg mit einem Mal Panik bekommen hatte. Eigentlich waren sie einen einfachen Weg gelaufen. Nur an einer Stelle wurden die beiden überrascht. Um weiterzugelangen, musste man sich an einem Stahlseil festhalten, die Füße gegen die Felswand drücken und anderthalb Meter weit hangeln. Ein Klettersteigset hatten sie nicht dabei. Es war nicht schwer, diese Passage ohne die Sicherung zu gehen. Man hatte, während man für fünf Sekunden an dem Seil hing, nur ziemlich viel Luft unterm Hinterm. Max war zum Beweis, wie einfach es war, schon ein Dutzend Mal hin- und hergehangelt. Aber Anna konnte nicht. Erst nach über einer Stunde wagte sie sich an das Seil. Max hatte ihr aus seinem Gürtel einen provisorischen Karabiner gebaut und sie damit ans Seil gehängt.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte ich Max. »Ich kann mich hier nirgendwo einhängen.«
    Max stand auf und streckte mir seine Hand entgegen: »Komm, pack mer’s. Halt dich fest.« Ich holte tief Luft, griff die Hand und versuchte alles um mich herum zu vergessen und nur auf meine Füße zu gucken. Ganz langsam machten Max und ich uns Hand in Hand auf den Weg, wie ein verliebtes Pärchen.
    Nachdem ich den ganzen Tag nur Steine gesehen hatte, kam mir der Abstieg zur Wimbachgrieshütte vor wie der Weg ins Paradies. Endlich wieder Grün. Waren es am Anfang nur einzelne Grasflecken, kamen schon bald Zwergsträucher und Latschenbüsche hinzu. Den Weg von der Mittel- zur Südspitze des Watzmanns hatte Max als »noch einmal amtlich« bezeichnet, was nichts anderes bedeutete, als dass es die schwierigste Stelle des ganzen Weges gewesen war. Der Abstieg, hatte er gesagt, sei dagegen nur noch »Formsache«. Genau das war es dann auch. Wie auf dem Amt. Eine quälend lange Angelegenheit, von der man sich fragt, was genau eigentlich so lange dauert. In diesem Fall drückte die Formsache auch noch mächtig auf die Knie. Komisch, ich hatte immer gedacht, dass rauf anstrengender sei als runter. Doch als wir nach gut acht Stunden endlich ankamen und bereits die ersten Wanderer in der Sonne beim Weißbier sitzen sahen, wusste ich, dass alles gut werden würde.
    »Na, hast des Jammern heut ganz vergessen?«, lachte Max, nachdem wir uns gewaschen und rausgesetzt hatten, um die letzten Strahlen der Sonne zu genießen. Unsere Weißbiere funkelten im Licht wie der Pokal für den Fußballweltmeister. Diese Auszeichnung hatten wir uns verdient.
    »Hatte leider keine Zeit. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mich gut festzuhalten und nicht abzustürzen.« Es stimmte, die Tatsache, dass ich wirklich ständig darauf geachtet hatte, wo ich meine Füße am besten hinsetze, hatte mich die Welt um mich herum ganz vergessen lassen. Den ganzen Gedankenmüll, den ich sonst mit mir herumschleppte, hatte ich wohl irgendwo dort oben entsorgt.
    »Ja da schau her, aus dir wird noch an richtiger Bergfex. Des heute war eine der schönsten und anspruchsvollsten Touren, die man ohne Kletterausbildung laufen kann. Morgen im Steinernen Meer, des wird ganz wos

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