Schlink,Bernhard
Wäschekorb.
Er
stand nackt im Zimmer und lauschte den Geräuschen des Hauses. Neben ihm war es
still, über ihm lief leise ein Fernseher. Aus der Tiefe des Hauses unter ihm
drang das Stimmengewoge einer Auseinandersetzung, bis krachend eine Tür
zugeschlagen wurde. An ein paar Fenstern summte die Aircondition. Das Haus
schlief.
Richard
machte das Licht aus und legte sich ins Bett. Vor dem Einschlafen erinnerte er
sich an Susan, die auf den Stufen zum Flugzeug stand und lachte und weinte.
Die Nacht in
Baden-Baden
1
Er
nahm Therese mit, weil sie darauf gehofft hatte. Weil sie sich darüber freute.
Weil sie in ihrer Freude eine fröhliche Begleiterin war. Weil es keinen guten
Grund gab, sie nicht mitzunehmen.
Es
war die Premiere seines ersten Stücks. Er sollte in der Loge sitzen und am
Schluss auf die Bühne kommen und sich mit den Schauspielern und dem Regisseur
beklatschen oder ausbuhen lassen. Er fand zwar, dass er nicht verdiene, für
eine Aufführung ausgebuht zu werden, die er nicht inszeniert hatte. Aber er
wollte zu gerne auf der Bühne stehen und beklatscht werden.
Er
hatte ein Doppelzimmer in Brenner's Park-Hotel
gebucht, wo er noch nie gewesen war. Er freute sich auf den Luxus des Zimmers
und des Bads und darauf, vor der Premiere noch durch den Park zu schlendern
und auf der Veranda zu einem Earl Grey und
einem Club Sandwich Platz zu nehmen. Sie fuhren am frühen Nachmittag los, kamen
auf der Autobahn trotz des Freitagsverkehrs zügig voran und waren schon um vier
Uhr in Baden-Baden. Zuerst badete sie in der Badewanne mit den goldenen
Armaturen, dann er. Dann schlenderten sie durch den Park und tranken auf der
Veranda nach Earl Grey und
Club Sandwich noch Champagner. Das Zusammensein war angenehm entspannt.
Dabei
wollte sie mehr von ihm, als er von ihr wollte und als er ihr geben konnte. Ein
ganzes Jahr lang hatte sie ihn deshalb nicht sehen mögen, dann aber die
gemeinsamen Abende mit Kino oder Theater und Essen vermisst und sich damit
abgefunden, dass sie mit einem flüchtigen Kuss an ihrer Haustür endeten.
Manchmal kuschelte sie sich im Kino an ihn, und manchmal legte er ihr dann den
Arm um die Schultern. Manchmal nahm sie beim Gehen seine Hand, und manchmal
hielt er dann ihre Hand fest in seiner. Sah sie darin das Versprechen, es sei
zwischen ihnen mehr möglich? Er wollte es nicht genau wissen.
Sie
gingen zum Theater und wurden vom Regisseur begrüßt, den Schauspielern vorgestellt
und in die Loge geführt. Dann hob sich der Vorhang. Er erkannte sein Stück
nicht wieder. Die Nacht, für die ein flüchtiger Terrorist bei seinen Eltern,
seiner Schwester und seinem Bruder unterkommt, war auf der Bühne eine Groteske,
bei der sich alle lächerlich machten, der Terrorist mit seinen Phrasen, die
Eltern mit ihrer ängstlichen Rechtschaffenheit, der geschäftstüchtige Bruder
und die moralisierende Schwester. Aber es funktionierte, und nach kurzem
Zögern ließ er sich mit den Schauspielern und dem Regisseur auf der Bühne
beklatschen.
Therese
hatte das Stück nicht gelesen und freute sich unbefangen über seinen Erfolg.
Das tat ihm gut. Beim Essen nach der Premiere lächelte sie ihn immer wieder so
freundlich an, dass er, der sich bei gesellschaftlichen Ereignissen schwertat,
seine Befangenheit verlor. Er merkte, dass der Regisseur sein Stück nicht zur
Groteske gewendet, sondern als Groteske aufgefasst hatte. Sollte er
akzeptieren, dass er, ohne es zu wissen und zu wollen, eine Groteske geschrieben
hatte?
Sie
gingen beschwingt zurück ins Hotel. Das Zimmer war für die Nacht gerichtet, die
Vorhänge zugezogen und das Bett aufgeschlagen. Er bestellte eine halbe Flasche
Champagner, sie setzten sich im Pyjama aufs Sofa, und er ließ den Korken
knallen. Es gab nichts mehr zu sagen, aber das machte nichts. Auf der Kommode
stand eine cd -Anlage und lagen ein paar CDs, darunter eine mit
französischer Akkordeonmusik. Sie kuschelte sich an ihn, und er legte ihr den
Arm um die Schultern. Dann waren die cd und der Champagner zu
Ende, und sie gingen ins Bett und drehten einander nach einem flüchtigen Kuss
den Rücken zu.
Am
nächsten Tag ließen sie sich mit der Heimfahrt Zeit, besuchten in Baden-Baden
die Kunsthalle, machten bei einem Winzer halt und gingen in Heidelberg aufs
Schloss. Wieder war das Zusammensein leicht. Wenn er allerdings in der
Hosentasche das Telefon fühlte, wurde ihm flau. Er hatte es ausgeschaltet - was
mochte sich darauf angesammelt haben?
2
Nichts,
wie er am
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