Schloss aus Glas
rechnen, weil wir vielleicht noch den einen oder anderen Umweg fahren würden, um uns die schöne Gegend anzuschauen.
Wir packten unsere Möbel ein. Viel war es nicht, hauptsächlich Teile für den Goldsucher, ein paar Stühle und Moms Ölbilder und Kunstutensilien. Als es losgehen konnte, wickelte Mom Maureen in eine lavendelfarbene Decke und übergab sie mir. Wir Kinder kletterten in den Laderaum. Dad schloss die Tür. Es war stockfinster, und die Luft roch abgestanden und staubig. Wir saßen auf dem gerippten Holzboden auf ausgefransten, schmutzigen Decken, mit denen sonst Möbel eingewickelt wurden, und tasteten mit den Händen nacheinander.
»Jetzt fängt das Abenteuer an«, flüsterte ich.
»Pssst!«, sagte Lori.
Der Umzugswagen sprang an und machte einen Satz nach vorn. Maureen stieß einen schrillen Schrei aus. Ich beruhigte sie, wiegte sie und tätschelte sie, aber sie hörte nicht auf zu weinen. Also gab ich sie an Lori weiter, die ihr im Flüsterton etwas vorsang und Witze erzählte. Auch das half nichts, sodass wir Maureen nur noch anflehten, endlich still zu sein, und uns schließlich einfach die Ohren zuhielten.
Nach einer Weile wurde es im Laderaum kalt und unbequem, der Motor ließ den Boden vibrieren, und wir purzelten alle durcheinander, wenn wir durch ein Schlagloch fuhren.
Mehrere Stunden vergingen. Inzwischen mussten wir alle dringend aufs Klo, und wir fragten uns, ob Dad wohl bald mal eine Pause einlegen würde. Plötzlich krachten wir in ein besonders großes Schlagloch, und die Türen des Wagens flogen auf. Der Wind pfiff durch den Laderaum. Aus Angst, nach draußen gesogen zu werden, drückten wir uns nach hinten gegen die Möbel. Der Mond stand am Himmel. Wir konnten das Leuchten der Autorücklichter sehen und die Straße, über die wir fuhren und die sich durch die silbrige Wüste erstreckte. Die offenen Türen schwangen mit lautem Klappern auf und zu.
Da zwischen uns und dem Führerhaus die Möbel verstaut waren, konnten wir nicht an die Wand klopfen, um Mom und Dad auf uns aufmerksam zu machen. Wir schlugen gegen die Seitenwände und schrien aus vollem Halse, aber der Motor war zu laut, und sie hörten uns nicht.
Brian kroch zum Ausstieg und versuchte die Türen zuzuziehen, aber er bekam sie nicht zu fassen. Schließlich schlug wieder eine Tür nach innen, und er wollte sie festhalten, doch als sie wieder aufflog, riss sie ihn mit. Ich dachte schon, die Tür würde Brian ganz nach draußen ziehen, aber er sprang gerade noch rechtzeitig zurück und kam zu Lori und mir gekrabbelt.
Brian und Lori klammerten sich am Goldsucher fest, den Dad mit Tauen fest verzurrt hatte. Ich hielt Maureen im Arm, die aus irgendeinem unerfindlichen Grund aufgehört hatte zu weinen, und drückte mich in eine Ecke. Wir mussten die Sache einfach durchstehen.
Dann tauchte weit hinter uns ein Scheinwerferpaar auf. Wir sahen zu, wie das Auto uns langsam einholte. Nach wenigen Minuten war es direkt hinter uns, und die Scheinwerfer erfassten uns hinten im Laderaum. Das Auto fing an zu hupen und Lichtsignale zu geben. Dann überholte es uns. Der Fahrer hatte Mom und Dad offenbar Zeichen gegeben, denn unser Wagen wurde langsamer, hielt an, und Dad kam mit einer Taschenlampe nach hinten gelaufen.
»Was zum Teufel ist hier los?«, fragte er. Er war wütend. Wir versuchten ihm zu erklären, dass es nicht unsere Schuld war, dass die Türen von selbst aufgegangen waren, aber er blieb zornig. Und plötzlich begriff ich, dass er auch Angst hatte. Vielleicht mehr Angst als Wut.
»War das ein Bulle?«, fragte Brian.
»Nein«, sagte Dad. »Und ihr könnt froh sein, dass es keiner war, sonst würde der euch jetzt nämlich ins Gefängnis stecken.«
Nachdem wir gepinkelt hatten, kletterten wir wieder in den Laderaum und sahen Dad die Türen schließen. Erneut umfing uns die Dunkelheit. Wir konnten hören, dass Dad die Türen abschloss und zweimal kontrollierte. Dann sprang der Motor wieder an, und wir setzten unsere Reise fort.
Battle Mountain war hundert Jahre zuvor von Siedlern gegründet worden, die gehofft hatten, hier zu Reichtum zu kommen. Aber falls hier wirklich mal jemand reich geworden war, dann war er offenbar weggezogen, um sein Vermögen woanders auszugeben. Die Stadt hatte nichts Großartiges zu bieten außer dem weiten, leeren Himmel und in der Ferne die steinernen lila Tuscarora Mountains, die in der flachen Wüste ausliefen.
Die Main Street war breit - die von der Sonne ausgebleichten PKWs und
Weitere Kostenlose Bücher