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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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gesprochen hatte, hatte ich sogar vergessen, dass sie eine Hure war. Aber eins war mir klar geworden, die Hurerei brachte Brathähnchen auf den Tisch.
    Wir prügelten uns oft in Welch. Nicht bloß, um Feinde abzuwehren, sondern um uns anzupassen. Vielleicht lag es daran, dass man in Welch so wenig unternehmen konnte oder das Leben dort hart war und die Leute hart machte oder dass es bei der gewerkschaftlichen Organisierung der Bergwerke so viele blutige Kämpfe gegeben hatte oder die Arbeit in den engen Stollen gefährlich und schmutzig war und die Bergleute schlecht gelaunt nach Hause kamen und ihren Frust an den Frauen ausließen und die wiederum an den Kindern, jedenfalls prügelte sich in Welch praktisch jeder - Männer, Frauen, Jungen, Mädchen -, und das auch noch gern.
    Es gab Schlägereien auf der Straße, Messerstechereien in Kneipen, Prügeleien auf Parkplätzen, Frauen wurden verdroschen und kleine Kinder verhauen. Manchmal war es nur eine kleine Kabbelei, die im Nu wieder vorbei war, manchmal aber auch ein ausgemachter Boxkampf, mit Zuschauern, die die blutenden, schwitzenden Kontrahenten anfeuerten. Und dann gab es Missstimmungen und Fehden, die sich über Jahre hinzogen, zwei Brüder, die einen Typen zusammenschlugen, weil dessen Vater in den fünfziger Jahren ihren Vater zusammengeschlagen hatte, eine Frau, die ihre beste Freundin erschoss, weil die sie mit ihrem Mann betrogen hatte, woraufhin der Bruder der besten Freundin den Ehemann erstach. Manchmal hatte die Hälfte der Leute, die man auf der McDowell Street traf, Blessuren von irgendeiner Schlägerei, ein blaues Auge, eine aufgeplatzte Lippe, einen verstauchten Arm, aufgeschürfte Handknöchel oder ein abgebissenes Ohrläppchen. In den Wüstenorten, in denen wir gewohnt hatten, waren die Leute ja schon ganz schön rauflustig gewesen, aber Mom meinte, Welch sei die prügelfreudigste Stadt, die sie je erlebt hatte.
    Brian und Lori und ich gerieten öfter in Raufereien als die meisten anderen Kinder. Dinita Hewitt und ihre Freundinnen waren nur die Ersten von einer ganzen Reihe kleiner Banden, die sich mit einem oder mehreren von uns anlegten. Andere Kinder wollten sich mit uns prügeln, weil wir rotes Haar hatten, weil Dad ein Trinker war, weil wir abgerissene Klamotten trugen und nicht so oft badeten, wie wir hätten baden sollen, oder weil wir in einer Bruchbude wohnten, die teilweise gelb angestrichen war, und eine Grube voller Abfall hatten, weil in unserem Haus abends kein Licht brannte und sie sich denken konnten, dass wir nicht mal das Geld hatten, um die Stromrechnung zu bezahlen.
    Aber wir wehrten uns immer, meistens gemeinsam. Den spektakulärsten Kampf, in dem wir unseren kühnsten taktischen Sieg errangen - die »Schlacht auf der Little Hobart Street« -, trugen wir gegen Ernie Good und seine Freunde aus. Ernie Good war ein plattnasiger, dickhalsiger Junge mit kleinen Augen, die ihm nahezu seitlich am Kopf saßen, wie bei einem Wal. Er benahm sich manchmal, als hätte er sich geschworen, die Familie Walls aus der Stadt zu vertreiben. Es fing eines Tages an, als ich mit anderen Kindern auf dem Panzer spielte, der neben dem Exerzierplatz stand. Ernie Good tauchte auf und begann mich mit Steinen zu bewerfen, wobei er schrie, die Walls sollten aus Welch verschwinden, weil sie mit ihrem Gestank die ganze Stadt verpesteten.
    Ich warf ein paar Steine zurück und rief, er solle mich in Ruhe lassen.
    »Zwing mich doch«, sagte Ernie.
    »Müll fass ich nicht an«, rief ich. »Den verbrenn ich.« Normalerweise war das eine idiotensichere Retourkutsche, höhnisch, wenn auch nicht sehr originell, aber diesmal ging der Schuss nach hinten los.
    »Ihr Walls verbrennt euren Müll doch gar nicht!«, schrie Ernie. »Ihr schmeißt ihn einfach in das Loch hinter eurem
    Haus! Ihr lebt drin.«
    Ich suchte krampfhaft nach einer Retourkutsche auf seine Retourkutsche, aber mir fiel einfach keine ein, weil Ernie Recht hatte: Wir lebten wirklich im Müll.
    Ernie baute sich dicht vor mir auf. »Müll! Ihr lebt im Müll, weil ihr selbst Müll seid!«
    Ich schubste ihn mit aller Kraft weg, drehte mich dann zu den anderen Kindern um, weil ich auf Unterstützung hoffte, doch sie entfernten sich langsam mit gesenktem Blick, als schämten sie sich, mit einem Mädchen zu spielen, das dicht beim Haus eine Müllgrube hatte.
    Am Samstag saßen Brian und ich gerade auf dem Sofa und lasen, als plötzlich eine Fensterscheibe zersplitterte und ein Stein auf dem Fußboden

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