Schloss aus Glas
landete. Wir liefen zur Tür. Ernie und drei seiner Freunde kurvten auf ihren Rädern vor unserem Haus herum und grölten aus vollem Halse. »Müll! Müll!«, brüllten sie. »Ihr seid ein Haufen Müll!«
Brian ging auf die Veranda. Einer von den Jungs warf wieder einen Stein und traf Brian am Kopf. Er taumelte nach hinten, lief dann die Stufen hinab, aber Ernie und die anderen flitzten mit gellendem Kriegsgeheul davon. Brian kam wieder hoch. Blut lief ihm über die Wange und tropfte auf sein T-Shirt, und über der Augenbraue bildete sich schon eine Beule. Ein paar Minuten später war Ernies Bande wieder da. Sie warfen Steine und riefen, jetzt hätten sie ja gesehen, in was für einem Schweinestall die Walls-Kinder wohnten, und sie würden in der Schule herumerzählen, dass es noch schlimmer wäre, als alle dachten.
Diesmal rannten Brian und ich hinter ihnen her. Sie waren zwar in der Überzahl, aber es machte ihnen anscheinend mehr Spaß, uns zu ärgern, als sich mit uns zu schlagen, denn sie fuhren davon.
»Die kommen wieder«, sagte Brian.
»Was sollen wir machen?«, fragte ich.
Brian überlegte einen Augenblick, und dann sagte er, er habe einen Plan. Er holte ein Seil unter dem Haus hervor und ging dann vor mir her zu einer Lichtung am Hang oberhalb der Straße. Einige Wochen zuvor hatten Brian und ich eine alte Matratze dorthin geschleppt, weil wir mal draußen übernachten wollten. Brian erklärte mir, dass wir ein Katapult bauen würden, genauso eins wie die im Mittelalter, von denen wir gelesen hatten. Dazu brauchten wir nur einen Haufen Steine auf die Matratze zu legen, das Seil darunter zu schieben und die Enden um Baumäste zu schlingen. Als wir unser Katapult fertig hatten, piobierten wir es ein Mal aus. Wir zählten bis drei und zogen dann mit einem Ruck an dem Seil. Es funktionierte - eine kleine Steinlawine prasselte unten auf die Straße. Wir waren überzeugt, dass es Ernie Good und seine Bande umbringen würde, und genau das hatten wir auch vor. Wir wollten sie umbringen, ihre Fahrräder erbeuten und ihre Leichen als Warnung für andere auf der Straße liegen lassen.
Wir häuften erneut Steine auf die Matratze, machten das Katapult wieder einsatzbereit und warteten. Nach einigen Minuten tauchten Ernie und seine Bande wieder auf. Jeder von ihnen hatte eine Hand am Lenker und einen hühnereigroßen Stein in der Wurfhand. Sie näherten sich in einer Reihe hintereinander, wie ein Trupp Indianer auf dem Kriegspfad, mit ein, zwei Meter Abstand. Wir konnten sie nicht alle auf einmal erwischen, also zielten wir auf Ernie, den Anführer.
Als er in Reichweite war, gab Brian das Kommando, und wir zogen an dem Seil. Die Matratze schoss nach vorn, und unser Arsenal Steine flog durch die Luft. Ich hörte, wie sie dumpf gegen Ernies Körper prallten und auf die Straße rollten. Er schrie und fluchte, als sein Fahrrad blockierte. Der Junge hinter Ernie fuhr in ihn hinein, und beide stürzten. Die anderen zwei machten kehrt und sausten davon. Brian und ich schleuderten so viele Steine nach unten, wie wir finden konnten. Wir hatten eine gute Schusslinie und landeten etliehe direkte Treffer. Die Steine prallten auf die Räder, splitterten den Lack ab und zerbeulten die Schutzbleche.
Dann rief Brian: »Attacke!«, und wir stürmten den Hang hinab. Ernie und sein Freund sprangen auf ihre Räder und traten wie wild in die Pedale, sodass sie uns entwischten. Als sie um die nächste Biegung verschwanden, vollführten Brian und ich einen Siegestanz auf der mit Steinen übersäten Straße und stimmten jetzt selbst ein Kriegsgeheul an.
Als das wetter wärmer wurde, nahm die Umgebung der Little Hobart Street eine raue Schönheit an. Ein farbenprächtiges Blütenmeer breitete sich auf den steilen Hängen aus. Feuerkolben und Tränende Herzen schossen wild aus dem Boden. Wilae Möhre, lila Flammenblumen und große orangerote Taglilien blühten entlang der Straße. Im Winter stieß man im Wald ständig auf Autowracks und weggeworfene Kühlschränke und die Ruinen verlassener Häuser, aber im Frühling wurde alles im Nu von Kletterpflanzen und Unkraut und Moos überwuchert und verschwand von der Bildfläche.
Das Gute am Sommer war, dass wir von Tag zu Tag mehr Licht zum Lesen hatten. Mom schleppte stapelweise Bücher an. Wenn sie alle ein oder zwei Wochen in die Stadtbücherei ging, kam sie jedes Mal mit einem Kopfkissenbezug voller Romane, Biographien und Geschichtsbücher zurück. Sie machte es sich mit ihnen im Bett
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