Schloss der Liebe
gelegt. Die Morgensonne strahlte, der Himmel war klar. Sie hatte ihn nicht kommen gehört. Bei all dem Lärm, der sie fast den ganzen Tag über umgab, war das wohl kaum verwunderlich. Aber sie würde schon noch lernen zu hören. Wenn er in Zukunft zu ihr käme, würde sie aufspringen, den Blick senken und sich bereit machen zu knicksen, wenn er sich näherte. Sie trug ihr Haar zu einem dicken Zopf geflochten, der über ihrem Rücken hing. Er stieg über den schützenden Holzzaun und baute sich so vor ihr auf, dass sein langer Schatten die Sonne verdunkelte. Energisch bearbeitete sie den Boden.
Hastings liebte es, die feuchte Erde in ihren Händen zu spüren und zu fühlen, dass ihre kostbaren Kräuter gut darin gedeihen würden. Sie hockte sich für einen Moment hin, um das Beet mit blühendem Rosmarin zu betrachten. Die Freude, die die Arbeit in ihrem Garten bereitete, half ihr ein wenig die tief sitzende Empörung über die Schmach, die Severin ihr zugefügt hatte, zu mildern. Seine Begründung, dass es Richard de Luci gelingen würde, in Oxborough einzudringen und sie in seine Gewalt zu bringen, war einfach grotesk.
Als sie hörte, wie sich jemand auf sie zubewegte, sagte sie, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen: »Bist du das, Tuggle? Bring mir bitte Marella. In einer Stunde oder so möchte ich ausreiten.«
»Ihr werdet nichts dergleichen tun ...«
Sie fuhr so heftig herum, dass sie das Gleichgewicht verlor und auf ihrem Hinterteil landete. »Ihr«, sagte sie und fügte, um gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, sofort hinzu: »Passt auf, wo Ihr hintretet. Das da neben Euch ist Rosmarin. Zertrampelt ihn nicht.«
Er trat einen Schritt zurück. »Was kümmert mich Euer Rosmarin? Ein alberner Name, fast wie der einer Frau. Was soll daran so wertvoll sein?«
»Er macht das Schweinefleisch, das Euer Marder so schätzt, besonders schmackhaft. Das Kraut hilft ausgezeichnet gegen Bauchschmerzen. Männer, die die Fleischeslust geschwächt hat, sollten neun Tage lang Rosmarinsud trinken. Soll ich Euch ein Tässchen zubereiten?«
»Macht Euch nicht wieder über mich lustig.« Er hockte sich neben sie. »Die anderen Frauen hatte ich vor Tagen. Und Euch habe ich nur einmal genommen. Das wird mich kaum geschwächt haben. Ich hatte Euch doch verboten, hinauszugehen.«
»Ich bin nicht hinausgegangen. Seht Euch um. Überall um mich herum sind meine Leute.«
»Meine Leute! Ich bin jetzt ihr Herr.«
»Also schön. Überall um mich herum sind Leute, die Zeter und Mordio schreien würden, wenn mir jemand zu nahe käme.«
Hier im Galten müsste sie eigentlich sicher sein, überlegte er und gab ihr in diesem Punkt Recht, denn schließlich hatte er noch einen Trumpf in der Hand. »Ihr habt mich für Tuggle gehalten. Ich sollte Euch Eure Stute holen. Ihr wolltet also ausreiten, nicht wahr?«
»Ja, aber nur für kurze Zeit. Außerdem wollte ich Beamis bitten, mir ein paar seiner Männer mitzugeben. Ich muss zur Heilerin, einer weisen und kundigen Frau, die tief im Wald von Pevensey lebt. Fast alles, was ich weiß, habe ich von ihr gelernt. Doch auch sie konnte meinem Vater keine Gesundheit bringen.«
Gereizt warf er die Arme in die Luft. »Dann schickt jemanden, der sie herbringt. Habt Ihr denn nicht einen Funken Verstand?«
»Sie wird nicht kommen. Sie verlässt den Wald nie. Ich habe sie schon oft gebeten zu kommen.«
»Dann werdet Ihr sie eben eine Weile nicht sehen.« Er streckte die Hand aus und fasste sie am Kinn. Sie erstarrte. »Hört mir jetzt gut zu, Mylady. Ihr werdet hier in diesem Garten bleiben oder im Turm. Ich möchte Euch nirgendwo anders sehen. Habt Ihr mich verstanden?«
»Nicht nur ich, sondern ganz Oxborough, so wie Ihr schreit.«
»Dass Ihr mich hört, heißt noch lange nicht, dass Ihr mich auch verstanden habt. Ich werde Euren Ungehorsam nicht länger dulden. Warum habt Ihr meinen Samen aus eurem Schoß gespült? Ich hatte es Euch ausdrücklich verboten.«
Hastings griff nach der Schaufel. Sie hatte das unwiderstehliche Bedürfnis, sie ihm über den Kopf zu ziehen. Und nicht nur einmal. Seine behandschuhte Hand schnellte vor und packte die Schaufel, bevor ihre Hand den Griff erreicht hatte. »Woher wisst Ihr das?«, fragte sie und starrte auf die Faust, die den Griff fest umschloss.
»Eure alte Amme sagte es Graelam und mir ... dass Blut in Eurer Waschschüssel war.«
Sie sah, wie er sich aufrichtete, und ihre Hand fasste nach der Schaufel. »O ja, ich habe getan was ich konnte, um alles,
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