Schloß der verlorenen Seelen
eine geheimnisvolle Faszination auf sie aus.
16. Kapitel
“Es ist wirklich schade, daß ich auf dem Gut unabkömmlich bin, sonst würde ich euch gerne begleiten”, meinte der Earl of Danemore zu seinen Söhnen. “Wenn ihr auf der Burg seid, so denkt daran, daß dort auch einer euren Vorfahren im sechzehnten Jahrhundert gekämpft hat.”
“Wir werden es nicht vergessen, Daddy”, versicherte Donald.
“Aber viel wichtiger ist, was uns Mistreß Darton in den Picknickkorb packt”, fügte Edmund hinzu.
Sein Vater seufzte hörbar auf. “Was soll man da machen, Camilla?” fragte er. “Da will man, daß die Kinder Ehrfurcht vor ihren Vorfahren empfinden, und alles, woran sie denken, ist der Picknickkorb der Köchin.”
“Edmund und Donald wissen sehr viel über ihre Vorfahren”, nahm die Camilla die Jungen in Schutz. “Es ist doch verständlich, daß sie auch an den Picknickkorb denken.” Sie hatte sich bereit erklärt, die Kinder auf einem Reitausflug zu begleiten. Jason Powell sollte den Ausflug leiten. Er führte zu einer nahen Burg, die in den Grenzkriegen zwischen England und Schottland eine bedeutende Rolle gespielt hatte. “Keine Angst, James, sie werden heute vormittag genügend Geschichtsunterricht bekommen.”
“Ich wünschte, Mister Gordon wäre mit von der Party”, bemerkte der Earl of Danemore. “Schade, daß er nicht reiten kann und auch keine Lust hat, es zu lernen.”
“Nicht jeder ist als Reiter geboren”, meinte Camilla. Sie nahm Laura bei der Hand und ging mit ihr nach oben. Ihre kleine Schwester mußte sich noch umziehen. Sie hatte am Morgen darauf bestanden, in einem Kleid am Frühstückstisch zu erscheinen.
“Beeil dich, Laura”, forderte sie die Kleine auf, kaum daß sie ihre Suite betreten hatten.
Laura blieb an der Tür zu ihrem Schlafzimmer stehen. “Am liebsten würde ich zu Hause bleiben”, sagte sie. “Ich mag Mister Powell nicht.”
“Laura, was soll das?” fragte die junge Frau. “Mister Powell ist immer ausgesprochen nett zu dir.”
“Auch zu dir.”
Also doch eifersüchtig, dachte Camilla. Sie ging an ihrer Schwester vorbei und nahm deren Reitsachen aus dem Schrank. “Du kommst mit”, befahl sie und bemühte sich, ihrer Stimme Autorität zu verleihen. Sie hatte nicht vor, ständig nachzugeben.
“Mister Powell ist schuld, daß Cathy in dem Bild gefangen war. Er ist ein Hexenmeister, er…”
“Ich möchte nichts mehr davon hören”, fiel ihr Camilla ins Wort. “Oder willst du, daß wir nach London zurückkehren?” Sie haßte es, ihrer Schwester zu drohen, aber irgendwann mußte Laura doch zur Vernunft kommen. Es ging einfach nicht an, daß sie mal diesen, mal jenen als Hexenmeister bezeichnete.
Laura starrte sie entsetzt an. “Das geht nicht. Cathy ist doch hier”, stieß sie hervor.
Camilla legte ihre Hände auf die Schultern der Schwester. “Das ist mir völlig egal, Laura.” Es war nicht richtig, ihre Schwester zu erpressen, aber sie wußte sich keinen anderen Rat mehr.
Die Siebenjährige kämpfte mit den Tränen. “Er ist böse. Böse”, schluchzte sie. “Außerdem habe ich Kopfschmerzen. Mir ist richtig schlecht.”
“Laura, jetzt ziehst du dich an.” Camilla war nicht bereit nachzugeben. Die Kopfschmerzen und die Übelkeit ihrer kleinen Schwester hielt sie nur für eine erneute Ausrede. Sie begann, Lauras Kleid aufzuknöpfen.
“Dann komm ich eben mit”, flüsterte Laura und fügte so leise hinzu, daß Camilla sie kaum verstehen konnte: “Du kannst richtig gemein sein.”
Ihre Worte schnitten der jungen Frau ins Herz, doch sie beschloß, hart zu bleiben. Sie half ihrer Schwester beim Umziehen, kämmte ihr dann die Haare und steckte sie im Nacken mit einer Spange zusammen. Schließlich setzte sie ihr noch ihre Reitkappe auf.
Das kleine Mädchen machte ein mißmutiges Gesicht. Die Hände in den Hosentaschen, den Kopf gesenkt stand es da.
Camilla schob Laura vor den Spiegel. “Schau nur, wie hübsch du bist”, meinte sie. Aber nicht einmal diese Worte konnten ein Lächeln in das Gesicht der Kleinen zaubern.
Zwanzig Minuten später waren sie bereits auf dem Weg zur Burgruine. James Powell ritt voraus, dann folgten die Kinder. Den Schluß bildete Camilla. Die junge Frau spürte, daß Laura, die direkt vor ihr ritt, langsam Gefallen an dem Ausflug zu finden schien. Jedenfalls saß sie äußerst entspannt auf ihrem Pony.
Von der Burg standen nur noch die Umfassungsmauern und der Turm mit dem Söller. Er war erst vor drei
Weitere Kostenlose Bücher