Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
ihn ins
Krankenhaus.«
»Und deine Bude? Willst du schließen?«
Unschlüssig spielte er an seinem Ohrhänger herum. Kurt röchelte derweil
filmreif. »Ich rufe die Elvira an«, meinte Fred schließlich. »Die hilft öfter aus.
Und bis die da ist, kann vielleicht jemand anderes …« Wieder überlegte er. »Könntest
du hier nach dem Rechten sehen, Max?«
»Ich?«
»Ja. Kaffee und Sandwiches, mehr brauchst du nicht zu machen. Im Notfall
schreibst du auf, was die Kunden wollen, ich regele das schon.«
»Also, ich weiß nicht …«
»Gift!«, jammerte Kurt mit schwacher Stimme. Selbst seine Dackel sahen
mich bittend an.
Und so kam es, dass ich die nächste halbe Stunde
im Schlossblick zubrachte, Kaffee kochte und mir Storys aus dem Hasenleiser anhörte.
Ich, Max Koller, eine Fehlbesetzung in fast jedem Job. Dabei war die Arbeit leichter
als gedacht. Machte sogar zunehmend Spaß! Vom Inneren eines Imbisswagens aus betrachtet,
sah die Welt ganz anders aus. Zwischen Drinnen und Draußen gab es eine klare Trennlinie.
Es gab einen Rahmen, den die Durchreiche markierte, und die Leute schauten zu dir
auf. Sie behandelten dich auch anders. Wie genau, hätte ich nicht sagen können.
Respektvoller? Höflicher? Vielleicht. Aber das mochte daran liegen, dass man mich
hier unten nicht kannte. Lieber vorsichtig sein, sagten sich die Leute. Am Ende
rückt der keine Würstchen raus, wenn ich nicht nett frage!
»Noch jemand einen Kaffee?«, rief ich. »So frisch
wie jetzt bekommt ihr ihn nie wieder!« Vielleicht gelang es mir ja, Freds Rekordumsatzzahlen
noch einmal zu toppen. Schau an, gleich war sie leer, die Kanne, und das Volk schrie
nach mehr. Wo hatte Fred Kaffee und Filter versteckt? Ah, hier. Auf der Schranktür
prangte eine alte Ansicht des Imbisswagens in Schwarz-Weiß. Bratwurst mit Brot 60
Pfennige, mit Kartoffelsalat 1 Mark. Ansonsten war alles wie heute: der Wagen, die
Leuchtschrift und davor eine hungrige Meute.
Dann klingelte mein Handy. Einhändig Kaffeepulver nachfüllend, nahm
ich das Gespräch an.
»Passt es Ihnen um vier im Laden?«, fragte Frau Kaiser. »Dann schließen
wir, und Sie haben Gizem und mich ganz für sich allein.«
»Gern. Sie haben sie also überreden können?«
»Ja. Es gibt aber eine Bedingung: Bringen Sie was zu knabbern mit.«
Sie lachte scheppernd. »Bevor ich ganz vom Fleisch falle!«
»Keine Sorge. Was Massenspeisungen betrifft, mausere ich mich gerade
zum Experten.«
Um vier also. Gegen zwölf sollte das Treffen mit Covet und seinem Medizinerkumpel
stattfinden, für 19 Uhr hatte Christine einen Tisch in der Alten Köhlerei bestellt.
Dazwischen galt es herauszufinden, weshalb sich die junge Türkin von Schallmo hengen
gelassen fühlte. Ich warf die Kaffeemaschine an und wartete auf Elvira.
24
»Also, das darf ich jetzt eigentlich nicht«, sagte Dr. Pietsch, während
er den Computer hochfuhr. »Nur damit wir uns richtig verstehen, Freunde: Dürfen
tue ich das nicht.«
»Schon klar«, nickte Covet.
»Völlig klar«, sagte ich.
Dr. Pietsch senkte den Kopf und warf uns über seine Brille einen Hilfe
suchenden Blick zu. »Es ist wirklich illegal.«
»Wir wissen es zu schätzen«, meinte Covet.
»Absolut, Sieghard.«
Der Arzt nickte seufzend. Er wischte einmal um den Rahmen des Monitors
herum, entdeckte ein Stäubchen, das er erst anhauchte und dann wegrubbelte. Noch
ein Seufzer. Die Brille wurde in Position gerückt, das Lippenpaar gespitzt. Wir
warteten. Der Computer summte.
Dr. Pietsch war mir als Sieghard vorgestellt
worden – seine Eltern seien eher so von der konservativen Sorte, erklärte er, meine
Hand noch in seiner, nationalkonservativ, deshalb Sieghard, sein zweiter Vorname
sei noch schlimmer, aber den verrate er niemandem, auch unter Folter nicht –, wir
duzten uns also, ganz nach Verschwörerart, aber weil Marcs alter Kumpel von Anfang
an den Paragrafenreiter heraushängen ließ, nannte ich ihn für mich nur Dr. Pietsch.
»Hab ich noch nie gemacht, so was«, murmelte er. »Noch nie, ehrlich.«
Dann brachte er beide Hände in Stellung, ließ sie wie Geier über der
Tastatur schweben … ein leichtes Zittern … und plötzlich der Sturzflug. Das Trommelfeuer
seiner Finger dauerte nur wenige Sekundenbruchteile. Paff, krachte der kleine Finger
auf die Enter-Taste.
»Mein Passwort«, zwinkerte er uns zu. »Wollt ihr raten, wie es lautet?«
Und als wir abwinkten, ein resigniertes: »Dürfte ich euch eh nicht sagen.«
Ich verdrehte die Augen.
Der und ein
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