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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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wichtigere Dinge gab als
alberne Verkehrsteilnehmer.
    Ich schob mein Fahrrad in den Hof, sperrte es ab und ging nach oben.
Schon wahr: Die Spur, die in die Chirurgie führte, musste ich unbedingt verfolgen.
Wer garantierte mir, dass der Kranke auch morgen noch in Heidelberg weilte? Der
blieb bestimmt keinen Tag länger als absolut notwendig. Marc wollte sich zwar hinter
die Sache klemmen, wollte recherchieren und neue Kanäle anzapfen. Offizielle Anfrage
an die Klinikleitung, an den Boss der Chirurgie. Aber das konnte dauern.
    Ich öffnete die Wohnungstür und schaute in das strahlende Gesicht meiner
Ex. Stimmt, da war doch was. Alte Köhlerei, sieben Uhr. Wie sie sich aufgetakelt
hatte! War ja kaum zu erkennen hinter der Maske aus Schminke und Puder. Und wenn
sie noch breiter grinste, würde das Kunstwerk bröckeln.
    »Pünktlich, Max«, nickte sie anerkennend. »Und ich dachte schon …«
    »Wofür hältst du mich?«, sagte ich und trat ein. »Gib mir eine Minute,
um mich in Schale zu werfen. Nein, 30 Sekunden reichen.«
    Drei Minuten brauchte ich dann doch. Dass ich Christine aber auch ausgerechnet
heute ausführen musste! Zum Hochzeitstag, es war zum Piepen. Seit wann feierte man
mit seiner Verflossenen den Tag des Scheiterns? Okay, die Scheidung hatten wir vermieden,
wegen des ganzen Papierkrams und der Steuer – Christines Argument, was sonst. Getrennt
waren wir trotzdem: solo, eigenverantwortlich und eher aus Zufall unter einem gemeinsamen
Dach lebend. In mäßiger Eintracht.
    Hochzeitstag, so etwas Dämliches! Und wenn wir uns nicht beeilten,
würden wir auch noch zu spät kommen.
    Bis sieben Uhr blieb zwar noch etwas Zeit, aber
die Alte Köhlerei liegt oben auf dem Berg, hinter der Königstuhlkuppe, und da keiner
von uns auf Alkohol verzichten wollte, nahmen wir den Bus. Christine schaffte es,
das Gefährt innerhalb von Zehntelsekunden bis zum letzten Platz mit ihren Parfümausdünstungen
zuzunebeln. Erstaunlich, dass keiner zu spucken begann. Auf Covets Fliege hatte
ich natürlich verzichtet und Christine nichts anderes erwartet. Nach einer endlosen
Fahrt kamen wir oben an und tappten einen abschüssigen Weg hinunter zum Gasthof.
    »Hier herrscht ja noch Winter«, knurrte ich.
    »Allerdings«, meinte Christine und nahm das zum Anlass, sich ganz eng
an mich zu kuscheln.
    Das Essen war anscheinend extrem gut, jedenfalls ließ sich das der
verzückten Miene meiner Exfrau ablesen. Ich versuchte, nicht an die Rechnung zu
denken, sondern stellte mir lieber das Gesicht von Tischfußball-Kurt vor, wenn ich
auf einem Honorar im Fall Thorsten Schallmo bestand. Wahrscheinlich würde er mich
in Feuerwürstchen ausbezahlen. Oder selbst zu einem werden.
    »So eine Wurst mit Senf wäre jetzt aber auch was Feines«, sagte ich
beim Hauptgang, nur um Christines Züge entgleisen zu sehen.
    »Traust du dich das auch der Chefin zu erzählen, du Großmaul?«, knurrte
sie. »Übrigens gibt es hier Würste. Drüben in der Vesperstube haben sie Deftiges
zum kleinen Preis.«
    »Und das sagst du erst jetzt?«, rief ich. »Warum muss ich mich dann
diesem experimentellen Gekoche aussetzen, wenn drüben echtes Essen serviert wird?
Von echten Menschen und nicht Bedienautomaten wie hier?«
    Aber mit solchen Sprüchen konnte ich bei einer kollergestählten Frau
wie Christine nicht landen. Ganz offensichtlich hatte sie sich vorgenommen, zur
Feier des Tages ihren Humor unter keinen Umständen zu verlieren. Und wenn ich es
gar zu arg trieb, streichelte sie mir übers Haar. Vor allen Leuten! Daran hatte
nur Gizems Reparaturschnitt Schuld. Insgesamt war es ein ganz passabler Abend, bei
dem wir nicht, wie ich befürchtet hatte, nach jedem zweiten Bissen über damals sprachen.
    Nur einmal sagte Christine: »Weißt du, Max, ich war wirklich verliebt
in dich.«
    »Ich nicht«, gab ich zurück, um sofort nachzuhaken: »Was heißt war?
Bist du es nicht mehr?«
    »Natürlich nicht!«, machte sie erstaunt. »Könnte ich sonst mit dir
zusammenleben?«
    Diese Antwort gab mir mehr zu denken, als ich zuzugeben wagte. Während
des Fischgangs vergaß ich völlig zu lästern. Allerdings wurde ich auch bald abgelenkt,
als neue Gäste den Raum betraten.
    »Um Gottes willen!«, entfuhr es mir. »Womit habe ich das verdient?
Nicht umdrehen, Christine, bitte nicht!«
    Natürlich verrenkte sie sich jetzt erst recht den Hals. »Wen meinst
du? Bären, Aliens, Verbrecher? Ich sehe nur ganz normale Menschen.«
    »Das täuscht. Es sind keine Menschen. Es sind Eltern,

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