Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
bin nur augenblicklich dem Süüüüüüüß -Effekt verfallen. Einen Apfelschimmel wollte ich immer haben, wie Pippi Langstrumpf, die in meiner Kindheit mein großes Idol war. Und eine eigene Villa. Keinen Esel.
»Aber was soll ich eigentlich mit ihm anfangen?«, frage ich den Feuerwehrmann.
Diese Frage wurde in seiner Glücksfeeausbildung anscheinend nicht behandelt. Er guckt mich ratlos an und überlegt ein bisschen. Dann fällt ihm etwas ein: »Vielleicht in den Garten stellen?«
»Ach so.«
Er ahnt, dass ich mit seiner Antwort nicht ganz zufrieden bin und schiebt nach: »Als zweiten Preis gibt es ein halbes Schwein zu gewinnen.«
»Na toll«, sage ich, »und das fällt dann um, wenn ich es in den Garten stelle.« Darauf wendet sich der Feuerwehrmann lieber neuen Interessenten zu und sagt seine Sprüchlein auf.
Ich sehe mir die Fotos genauer an. Einen Baum, der allein auf einer Weide steht, erkenne ich sofort. Der steht unten am Bach, direkt neben der Brücke, auf der ich früher immer Rollschuh gefahren bin. Nicht Inlineskates, noch nicht mal Rollerskates, sondern so richtig schepprige Dinger, die man sich unter die Schuhe schnallt. Ein Stück Sandweg kann ich auch problemlos zuordnen: Das war die Abzweigung zu meinem »Geheimweg«, den ich gegangen bin, wenn ich Ralf-Georg entkommen wollte. Genutzt hat es nichts, besonders geheim war die Strecke anscheinend nicht. Mir kam es jedoch damals so vor. Und die Bickbeerbüsche auf dem nächsten Bild wachsen in meinem Waldstückchen. Aber dieses Fenster mit der Häkelgardine davor? Das könnte überall sein. Haben nicht alle hier solche Häkelgardinen? Ich versuche mich zu konzentrieren. Systematisch vorzugehen. Gibt es im Haus von Heiners Eltern Häkelgardinen? Immerhin wohne ich da, ich sollte das wirklich wissen. Aber ich kann mich nicht genau erinnern. Wer achtet denn auch auf so etwas? Hängen da überhaupt Gardinen? Wahrscheinlich schon, schließlich gehört es sich so. Kann Heiners Mutter häkeln? Ja, auch das ist wahrscheinlich, früher hat man das noch in der Schule gelernt. Also, schlussfolgere ich, wird sie wohl Häkelgardinen haben. Die sind schließlich preisgünstig selber zu machen. Meine Oma hat auch gerne gehäkelt. Deshalb hängen bei meinen Eltern bestimmt solche Gardinen. Meine Mutter nennt sie wahrscheinlich nur anders, Volants oder Schabracken, bestimmt gibt es auch einen neueren, schickeren Wohnambiente-Spezialausdruck dafür. Okay, das wären schon mal zwei Möglichkeiten, die in Frage kämen. Daneben gibt es noch unzählige andere. Naja, nicht unzählige, das Dorf hat knapp 2000 Einwohner, wie viele Häuser kann es da geben? Aber das ist ja nicht die Frage. Ich wende mich dem nächsten Bild zu: Ein Carport. O nein! Das haben ja nun wirklich alle.
»An dem Quiz bin ich auch schon gescheitert. Dabei sind meine Gören total scharf auf das Eselfohlen. Aber wer zum Teufel weiß denn, wo dieses Gestrüpp herumsteht?« Dodo ist neben mir aufgetaucht und zeigt auf die Bickbeerbüsche.
»Ich zum Beispiel. Aber dieses Carport? Gibt es davon nicht mindestens zwei Dutzend im Dorf?«
»Da hast du Recht, denn das ist das Modell Helgoland, das günstigste, das bei Carport-Scheller im Gewerbegebiet erhältlich ist. Zur Selbstmontage, natürlich. Jeder, der sich hier im Ort ein Carport hinstellt, nimmt Helgoland. Die Dinger sind quasi identisch – bis auf dieses hier. Das ist nämlich unseres. Mein Göttergatte hat es selbst zusammengeschraubt. Und da er Gebrauchsanweisungen und Bauanleitungen prinzipiell nicht traut, hat er sie gar nicht gelesen, sondern das Ding so hingebastelt, wie er sich das gedacht hat. Das passte natürlich nicht alles ganz so genau, deshalb hat er hier«, sie zeigt auf eine etwas sehr schräge Kante des Daches, »und hier«, eine größere Kerbe in einem der Stützbalken, »ein Stück rausgesägt.« Dodo grinst triumphierend. »Und jetzt bist du dran, Silke!«
Ich musste feststellen, dass ich bei allen Fotos, auf denen neuere Auswirkungen der Zivilisation zu sehen sind – Gardinen oder Carports zum Beispiel – kläglich versage. Dafür liegen mir die Naturaufnahmen. Seltsamerweise, obwohl ich ja keine Ahnung von Pflanzen habe. »Dieses Gestrüpp, wie du es nennst, wächst in meinem kleinen Wäldchen und trägt im Herbst die leckersten Bickbeeren.«
»Klar, wenn es was mit Essen zu tun hat, erkennst du es natürlich!« Dodo grinst. Sie kennt mich eben auch schon länger. Trotzdem vermisse ich in diesem Moment Brigitte.
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