Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
läuft davon unbeeindruckt weiter und wird sogar noch ein wenig lauter. Er lächelt entschuldigend, murmelt etwas von Einstellungsmodalitäten, und erhebt dann seine Stimme, um noch ein paar schwelgerische Sätze loszuwerden. »Das Quadrat zieht sich durch das Haus wie ein roter Faden!« und »Highlights, wohin das Auge schaut, Ideen, Inspirationen!«
Geblendet von dem sehr hellen Licht im Eingangsbereich (meint er das mit Highlight?) stolpere ich die Kellertreppe hinunter. Dort stehen drei Miniatur-Modelle des Hauses: Modern, Landhausstil und Mediterran. Im Original jeweils knapp dreihundert Quadratmeter groß. »Und sehr exklusiv, denn wo ein solches Haus steht, darf im Umkreis von fünfzig Kilometern kein weiteres gebaut werden«, erklärt man uns und fügt neckisch hinzu: »auch wenn die Nachbarn noch so neidisch sind!«
Ich entferne mich von der Gruppe und suche im Erdgeschoss nach einer Idee und Inspiration für den nächsten Punkt meines Plans.
Stufe 2:
Verstecken!
Schon schwieriger. Alles so offen und übersichtlich hier. Die Küche geht in den Wohnbereich über, hier wurde sichtlich an Wänden gespart. Und durch ein Fenster im Fußboden des Essbereiches kann man sogar in den Weinkeller gucken. Der fällt also als Versteck auch aus.
Im Flur gibt es noch zwei Türen. Hinter der einen hängen Pullover, designed von der Designerin, wie groß auf den von den Ärmeln herabhängenden Schildern steht. Der Raum wäre perfekt – doch leider kann man ihn nicht betreten, weil direkt hinter der Tür eine Glasscheibe den Weg versperrt. Ich komme mir vor wie in einem Heimatmuseum, in dem die historisch bedeutungsvollen Ausstellungsstücke vor dem Zugriff marodierender Schulklassen geschützt werden müssen. Die andere Tür führt in ein kleines Kämmerchen, das rundherum mit Regalen ausgekleidet ist. Darauf stehen lauter Täschchen. Ein eigener Raum nur für Handtaschen – und mit einem toten Winkel, den man von der Tür aus nicht sofort einsehen kann. Perfekt für meine Zwecke! Meine Lebensmittel- und Klamottentüten machen zwar auf den recht knapp bemessenen Regalen keine so elegante Figur wie eine Kelly-Bag, aber sie passen hinein. Und ich quetsche mich in die Nische hinter die Tür. Jetzt muss ich abwarten, bis der nächste Punkt meines Plans quasi von selbst in Erfüllung geht.
Stufe 3 :
Einschließen lassen!
Ich warte. Und warte. Und warte. So extravagant, luxuriös und komfortabel so ein Handtaschenkämmerlein auch auf den ersten Blick und von außen wirken mag, so eng und unbequem ist es doch, wenn man sich längere Zeit darin aufhalten muss. Vor allem, wenn man noch jede Menge Gepäck und verderbliche Lebensmittel mit sich führt, die Temperatur über gefühlte achtzig Grad steigt und man mucksmäuschenstill sein muss, immer in Angst, entdeckt zu werden. Jeder, der schon mal in einer solchen Situation war und sich in einem Handtaschenzimmer versteckt hat, weiß, wie mir zumute ist.
Das Paillettenbeutelchen da vorne sieht auch schon ganz schlapp aus. Vielleicht bekommt ihm auch der Geruch des durch seine sorgfältige, mehrschichtige Plastikverpackung durchmüffelnde Scheiblettenkäse nicht. Immer, wenn die Tür aufgeht, drücke ich mich in den toten Winkel dahinter. Ich muss nur abwarten.
Draußen wird immer noch geredet. Dies ist die letzte Hausbesichtigung für heute, es ist schon halb sechs, aber die Herrschaften scheinen zu trödeln. Wollen die jede Mosaikkachel einzeln diskutieren? Die Stimme des Experten ist lauter als die anderen, enthusiastisch erklärt er die eingebaute Staubsaugeranlage. Dann geht die Tür neben mir wieder auf.
Jemand betritt den Handtaschenschrank.
Verdammt!
9. Kapitel:
Ein Lied kann eine Brücke sein
Samstag, 14. Mai, Spätnachmittag
Ich halte die Luft an und verhalte mich möglichst unsichtbar. Die Tür geht schnell wieder zu. Wer auch immer reingekommen sein mag, er oder sie ist nicht wieder rausgegangen. Das heißt, wir sind jetzt zu zweit hier drin.
Erkennen, wer mir Gesellschaft leistet, kann ich nicht, denn das Licht in dieser Kammer funktioniert wie beim Kühlschrank: Tür zu, Lampe aus.
»Hallo«, flüstere ich ins Dunkle.
»Huch!«, sagt mein Gegenüber, ungefähr zwei Millimeter von meinem Gesicht entfernt. Und: »Entschuldigen Sie bitte. Ich dachte, ich wäre hier alleine. Ich werde natürlich sofort wieder gehen.«
»Nein, bleiben Sie nur. Es ist ja Platz genug da«, sage ich. Das ist natürlich Blödsinn, selbst eine Legebatteriehenne hätte sich hier
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