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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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verwirklichen half. Nun war er geplatzt, dieser Traum, vorerst
zumindest. Elke von Wonnegut war nicht mehr die Jüngste, aber sie war zäh, und
sie würde darum kämpfen, dass es doch noch klappte mit ihren musikalischen
Visionen. Dirigenten gab es wie Sand am Meer, Geschäftsführer auch. Der eine
war vermutlich schwerer zu ersetzen als der andere, aber sie würde nichts
unversucht lassen. Das sah man ihr an, als sie schließlich den Kopf hob.
    »Frau Stein«, sagte sie, »packen Sie die Sachen zusammen. Und
zwar sofort, bitte. Ich muss mich mit dem Vorstand beraten. Das sind ja
entsetzliche Nachrichten.« Sie betupfte ihre trockenen Augenwinkel mit einem
weißen Seidentuch. Frau Stein begann mechanisch, ihre Gerätschaften
einzusammeln.
    »Trotzdem vielen Dank für
Ihre Informationen, Herr Koller«, sagte Frau von Wonnegut nach einem tiefen
Atemzug. »Ich wusste, Sie würden mich auf dem Laufenden halten. Auch wenn ich
nicht mit einer derartigen Fülle von Neuigkeiten gerechnet hatte. Danke.«
    »Ich mache nur meine Arbeit.«
    Sie nickte. »Auf Wiedersehen. Ich gehe schon einmal vor. Und
Sie beeilen sich bitte, Frau Stein.« Gestützt auf ihren Stock, entfernte sie
sich humpelnd.
    Neben mir richtete sich Frau Stein langsam auf.
    »Nicht immer ganz einfach mit ihr, oder?«, grinste ich.
    »Man lebt«, antwortete sie abweisend. Während sie ihre
Arbeitsgeräte in einem großen Korb verstaute, las ich die Inschrift auf dem
Grab. »Albert von Wonnegut, 1905-1983« stand da, ergänzt durch einen
Bibelspruch. Und darunter, kleiner: »Maria Theresa von Wonnegut, geb.
Toschnigg, 1909-1955«. Ohne Spruch.
    »Von Wonnegut ist ihr Geburtsname?«, überlegte ich laut.
    Frau Stein zuckte die Achseln. »Sie wollte ihn unbedingt
behalten.«
    »Und ihr Mann? Hat er ihren Namen angenommen?«
    »Ja. Paul von Wonnegut.«
    Ich nickte. Ein ›von‹ im Namen macht sich immer gut. »Wie
hieß er denn früher?«
    Sie sah mich lauernd an. »Das wissen Sie nicht?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Stein«, sagte sie und verstaute den Fußabtreter in ihrem
Korb. »Paul Stein.«
    »Stein?« Besonders intelligent werde ich nicht dreingeschaut
haben. »Das heißt, er ist …« Ich überlegte. Frau Steins Ex-Gatte?
    »Mein Bruder.«
    Sie schritt davon. Der Korb mit dem Gartengerät zog ihre
rechte Schulter schwer nach unten.

Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

17
    Auf dem Weg nach Hause begann es zu schneien.
Vereinzelte kleine Schneeflocken, von denen es die wenigsten bis zur Erde
schafften. Ich sah Schulkinder, die gen Himmel starrten und ihre Enttäuschung
über das spärliche Weiß nicht verbargen. Dieser Winter tat nur so, als ob.
    Eine Nachricht von Fatty auf meinem Anrufbeantworter. Er
erinnerte mich an die Einladung für den heutigen Abend. Es würde ein Festessen
geben, und Eva freute sich schon darauf, mich kennen zu lernen. Während ich
noch überlegte, wie ich ein paar belegte Brote in Fattys Küche schmuggeln
konnte, erhielt ich eine SMS von Marc: »Treffe Bernds Anwältin um 4. Kommst
du?« Ich schrieb ihm postwendend zurück, tippte die falschen Tasten, und mit
jedem Fehlversuch fiel meine Antwort knapper aus. Am Ende stand nur noch »OK«
auf dem Display.
    Dann erst merkte ich, wie müde ich war. Ich sah auf die Uhr.
Kurz nach eins, ich hatte noch jede Menge Zeit. Ich legte mich aufs Bett und
träumte von tanzenden Schneeflocken.
    Um Punkt vier stellte ich mein Rad vor einer Villa in der
Zähringer Straße ab. Rötlicher Sandstein, Jugendstilfenster, ein kleiner, aber
schnieker Vorgarten. Seitlich führten sechs breite Stufen ins Hochparterre, zu
einer lackierten Holztür, die augenscheinlich eine halbe Tonne wog. In der
Weststadt pflegt man bodenständigen Schick. Das zaghafte Schneetreiben von
vorhin hatte sich schon wieder gelegt.
    Mütze und Handschuhe in meine Jacke stopfend, erklomm ich die
Stufen. Dr. C. Glaßbrenner, Rechtsanwältin stand in nüchternen Lettern
auf einem spiegelglatt polierten Messingschild. Das passte zu Nagel, dass er
sich bei einer Frau Rechtsbeistand suchte. Oder suchen ließ, denn er selbst
hatte ja keine Initiative gezeigt. Für ihn würde sich die Anwältin doppelt ins
Zeug legen.
    Die Kanzlei befand sich im Erdgeschoss. Eine echte
Vorzimmerschönheit hielt mir die Tür auf: zartes Lächeln, blitzblanke Zähne,
gebräunte Haut, Ringe an den schmalen Fingern und das Hemd oben offen. Nur dass
dieses Hemd

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