Schlussblende
Jackos Agent und Betsy als Trauzeugen fungierten, stieg die große Hochzeitsparty, deren Hauptzweck darin bestand, der Klatschpresse fürs erste das Maul zu stopfen. Und daran schloß sich, versteht sich, die Hochzeitsreise an, auf eine verschwiegene kleine Insel auf den Seychellen. Betsy und Micky wohnten in der einen, Jacko in der anderen Strandhütte. Hin und wieder sahen sie ihn am Strand, jedesmal mit einem anderen Mädchen, das er aber nie mitbrachte, wenn sie von Zeit zu Zeit eine Mahlzeit gemeinsam einnahmen.
Am letzten Abend, als sie – über sich den Mond, vor sich den Indischen Ozean – beim Dinner saßen, fragte ihn Betsy, von fünf Gläsern Champagner beflügelt: »Sind Ihre Freundinnen schon abgereist?«
Woraufhin Jacko, jedes Wort sorgfältig abwägend, erwiderte: »Es handelt sich nicht um Freundinnen. Seit Jillie mich nach meinem Unfall verlassen hat, pflege ich Sex auf streng geschäftlicher Grundlage abzuwickeln. Ich möchte mich nicht der Gefahr aussetzen, daß irgend jemand mir je wieder irgend etwas wegnehmen kann.«
»Das ist schade«, sagte Micky. »Du verpaßt eine Menge, wenn du nicht bereit bist, Risiken einzugehen.«
Und da verdunkelten sich plötzlich seine Augen – ein ähnlicher Effekt wie bei einer Limousine, wenn die getönten Scheiben sich schließen. Ein seltsamer Ausdruck lag auf seinem Gesicht. So hatte ihn das Publikum mit Sicherheit noch nie gesehen. Denn einen, der aussah, als stünde er mit finsteren Mächten im Bunde, durfte man auf keinen Fall in die Nähe von Kranken und Behinderten lassen. Die Welt kannte nur seinen Charme, doch viel mehr hatte auch Micky von ihm bisher nicht gesehen. Und nun konfrontierte er sie auf einmal mit diesem rätselhaften Dunkel in seinen Augen. Absichtlich, da war sie sich sicher, es sei denn, sie kannte den Mann, den sie geheiratet hatte, noch schlechter, als sie ohnehin vermutete.
»Oh, ich gehe eine Menge Risiken ein, Micky.« Jackos Lächeln war spurlos verschwunden. »Ich minimiere nur den potentiellen Schaden. Nimm zum Beispiel unsere Ehe – die ist auch ein Risiko. Aber eines, das ich nie eingegangen wäre, wenn ich nicht gewußt hätte, daß du, falls sich diese Ehe je als geplanter Schwindel erweisen sollte, mehr zu verlieren hast als ich.«
»Das mag sein.« Micky nippte an ihrem Glas. »Aber ich denke, es ist trotzdem traurig, daß du dir jede Möglichkeit zur Liebe versagst. Und das tust du, seit du dich von Jillie getrennt und angefangen hast, Spielchen mit mir zu spielen.«
»Das ist kein Spielchen«, erwiderte Jacko mit ernster Miene. Und wieder hatte Micky den Eindruck, als sei vor seinem Gesicht ein Vorhang niedergegangen. »Ich sorge schon dafür, daß ich auf meine Kosten komme. Und zwar so, daß dir daraus keine Peinlichkeiten erwachsen werden.« Er legte sich feierlich die Hand aufs Herz. »Glaub mir, ich bin ein Meister der Verschleierung.«
Worte, an die Micky sich bis zum heutigen Tag nur mit Schaudern erinnerte. Manchmal glaubte sie, in dem unheimlichen Dunkel, das seinen Blick von einem zum anderen Moment verschleiern konnte, dieselbe Wut zu erkennen, die sie damals im Krankenhaus gesehen hatte, an dem Tag, als Jillie das Verlöbnis gelöst hatte. Welches Geheimnis mochte Jacko mit sich herumtragen, daß er sich in der Kunst der Verschleierung üben mußte?
An Mord hätte sie natürlich nie gedacht.
Ganz allein auf sich gestellt zu sein brachte das Problem mit sich, daß der Tag einfach nicht genug Stunden hatte. Und Erkundigungen bei den Polizeidienststellen in Jackos Geburtsort oder seinen späteren Wohnorten durfte sie nicht einholen. Sie hatte nicht mal jemanden, mit dem sie über ihre Probleme reden konnte. Sie trat auf der Stelle. Dabei brannte es ihr unter den Nägeln, endlich weiterzukommen. Also blieb ihr nur, sich wieder an Chris Devine zu wenden.
Sie war froh, daß sich nach dem dritten Läuten der Anrufbeantworter einschaltete, das ersparte ihr lange Erklärungen, die sich für Chris ohnehin nur verworren anhören konnten.
»Chris? Hier ist Shaz. Ich brauche noch mal deine Hilfe. Ist es dir möglich, mir die Telefonnummer von Jacko Vance zu besorgen? Ich bin den ganzen Abend zu Hause. Du bist ein Engel, danke. Und …«
»Bleib dran«, meldete Chris sich so unerwartet, daß Shaz vor Schreck beinahe den Kaffeebecher umgestoßen hätte. »Ich war unter der Dusche. Was hast du denn jetzt wieder vor?«
»Ich will Vance ein paar Fragen stellen. Aber ich krieg seine Nummer nicht
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