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Schmeckts noch

Titel: Schmeckts noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Goris
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Schnitt zu weit oben angesetzt, leidet der Puter beim Fressen unter chronischen Schmerzen. Zuchtziel ist das begehrte Putensteak, ein schwerer Brustmuskel, der fast ein Drittel des gesamten Körpergewichts des Vogels ausmachen kann. Am Ende der Mast liegen viele Puter apathisch auf ihrem prallen Brustmuskel im Stall. Die Vögel sind dem Gewicht des »Putensteaks« einfach nicht gewachsen. Auch Sehnen und Gelenke des großen Vogels können die unnatürliche Gewichtszunahme nicht verkraften. Nach nur 24 Wochen Mast hat der Puter über 20 Kilogramm Gewicht zugelegt. Die langenRöhrenknochen der Oberschenkel brechen unter den enormen Fleischpaketen, die Gelenke verformen oder entzünden sich, die Zehen verkrümmen, der Rücken verkrüppelt. Am Ende der Mast können die Vögel kaum noch laufen. Sie sterben an plötzlichem Herztod, leiden unter eitrigen Lungenentzündungen und zahlreichen Infektionskrankheiten.
    In der Entenmast spielen sich hinter verschlossenen Stalltüren ebenfalls wahre Tragödien ab. Die schwimmfreudigen Wasservögel sitzen in abgedunkelten Ställen auf Lattenrosten. Den Enten werden die Schnäbel beschnitten, weil es in der Enge immer wieder zu Kannibalismus und Federrupfen kommt. Nach etwa zehn Wochen haben die Entchen das Schlachtgewicht von nur 2,5 Kilogramm erreicht. Ohne je einen See gesehen zu haben, geht es zum Schlachthof.
    Auch die äußerst sensiblen und hochintelligenten Gänse hat der Mensch nicht verschont. Die Zwangsmast für die begehrte Gänseleberpastete ist eine 20 Tage dauernde Folter. Die Gänse werden mit Maisbrei, der über ein Metallrohr direkt in den Magen der Tiere geleitet wird, gestopft, bis ihre Leber verfettet. Statt 120 Gramm wiegt die Leber nach der Zwangsmast oft ein bis zwei Kilogramm, und aus diesem krankhaft vergrößerten Organ wird dann die berühmte Paté de Foie gras gemacht. Die Gänseleberproduktion konzentriert sich in Polen und Ungarn, denn in Deutschland ist die Quälerei verboten – nicht aber die Paté de Foie gras beim kalten Büfett.
     
Relikte aus längst vergangener Zeit
     
    Früher gehörten Rassen wie die Lippegans, die Emdener Gans und die Deutsche Legegans sowie die Diepholzer Gans zum alltäglichen Bild auf dem Lande. Wenn es Frühling wurde, triebman die Diepholzer Gänse zu Tausenden auf die Feuchtwiesen. Dort fraßen die genügsamen Tiere Gräser, Kräuter und Würmer. Manchmal paarten sie sich mit wilden Graugänsen. Das hielt die Gene der Gänse gesund und machte die Diepholzer Gans zu einem robusten Vogel. Erst im Herbst wurden die Gänse wieder zusammengetrieben und dann in offenen Ställen mit Hafer- und Gerstenschrot gemästet. Schließlich kam die Gans Weihnachten als Festtagsbraten auf den Tisch. Da die Landgans den Sommer über auch das magere Moorgras gefressen hatte, bekam das Fleisch einen ganz speziellen Geschmack. Es war fettarm, feinfasrig und zart. Auch die Federn der Diepholzer Gans waren begehrt und wurden bis nach Frankreich exportiert. Aus ihnen machte man noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Schreibfedern. Heute steht die Diepholzer Gans auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen. Ihr Bestand ist auf wenige hundert Tiere geschrumpft.
    Extrem gefährdet sind auch alte Entenrassen wie die Deutsche Pekingente und die Pommernente. Wie Relikte aus längst vergangenen Zeiten werden die Rassen von Hobbyzüchtern gehätschelt. Die Deutsche Pekingente wurde als »Rasse des Jahres 2000« hoch gelobt. Die muskulöse Ente mit dem zartgelblichen Gefieder und dem kurzen breiten Schnabel ist anspruchslos. Sie wächst schnell und war deshalb bis zum Zweiten Weltkrieg als Wirtschaftsente bei Bauern äußerst beliebt. Die Pommernente mit ihrem blaugrauen Gefieder stammt aus der Nähe von Stralsund. Sie ist ungemütlicher Witterung angepasst, brütet zuverlässig und zieht robuste, schnell wachsende Entchen groß. Die Rasse ist heute nur noch bei Biobauern und Hobbyzüchtern auf Anfrage zu kaufen. Feinschmecker schwärmen von der exzellenten Fleischqualität.
     
Wenn Vögel Grippe kriegen
     
    Mit der genetischen Verarmung und der Verdrängung alter Rassen wächst die Krankheitsanfälligkeit der Tiere. Die Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) der Vereinten Nationen fürchtet sogar, dass mit der genetischen Verarmung auch die Gefahr für unsere Ernährungssicherheit wächst. Wissenschaftler fordern deshalb auf internationalen Treffen sehr wortreich mehr »Agro-Biodiversität« – also

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