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Schmeckts noch

Titel: Schmeckts noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Goris
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der Schlachtung wird das Fleisch mit chlorhaltigem Wasser bearbeitet, um Salmonellen abzutöten. Bei diesem Prozess wird gleichzeitig das Gewicht des Fleischs erhöht. Weil Importe von rohem Geflügelfleisch aus Vogelgrippeländern wie Brasilien und Thailand verboten sind, wird das Fleisch gekocht oder anderweitig verarbeitet, bevor es ausgeführt wird. Dann kann auch Geflügel aus diesen Ländern legal nach Deutschland eingeführt werden.Die Herkunft ist später kaum zu erkennen, denn die Kennzeichnung ist fragwürdig: Wird das Fleisch in Großverpackungen importiert, wird es in deutschen Betrieben portioniert und neu verpackt. Dann erhält es das begehrte »DE«-Zeichen auf dem Etikett, eine Hygienenummer, die dem Verbraucher deutsche Ware vorgaukelt.

Der Sündenfall Apfel oder Die Vertreibung aus dem Obst- und Gemüseparadies
     
    Schneewittchen muss an einem Supermarktapfel erstickt sein: harte Schale, fader Kern! Ihre Stiefmutter, die böse Königin mit dem Spiegel und dem ausgeprägten Schönheitstick, hat – wie es heute im industriellen Obstanbau allgemein üblich ist – die Frucht ordentlich mit Gift bespritzt. Wie der Obstkäufer im 21. Jahrhundert ist Schneewittchen auf das perfekte Aussehen des Apfels mit den roten Bäckchen hereingefallen. Schneewittchen ist der Biss in den Apfel nicht bekommen. Ob das Stück Apfel, das ihr dann im Hals steckengeblieben ist, vorher wenigstens geschmeckt hat, ist nicht überliefert.
    Der Kunde von heute fällt zwar nicht scheintot um wie die Märchenprinzessin, aber er hat nicht selten einen Giftcocktail zu verdauen. Besonders dann, wenn er weitgereiste Früchte kauft und den heimischen Winter zum fruchtigen Obstsommer machen will. Die sogenannten Flugerdbeeren, die ohne Wachstumsregler, Düngemittel und Gifte gegen Pilze und Insekten nie das Licht der Supermarktwelt erblicken würden, sind als verführerische Giftbömbchen in die Geschichte der Lebensmitteluntersuchungen eingegangen. Importware wird immer wieder auffällig, wenn sie aus der großen, weiten Welt angereist kommt und dann in deutschen Untersuchungsämtern unter der Lupe liegt. Auch Him beeren, Blaubeeren und Brombeeren können mit Schadstoffen belastet sein, die nicht nur Käfern und Raupen schaden.
    Der Apfel, den die böse Königin dem armen Schneewittchen angedreht hat, dürfte der Importware von heute optisch sehr ähnlich gewesen sein. Äpfel wie von Rubens gemalt kommen ausNeuseeland, Argentinien, Chile und Südafrika. Prall und rund und leuchtend rot liegen sie im Laden. Etwa 1,5 Millionen Tonnen Äpfel werden importiert, nur 900 000 Tonnen kommen aus deutschem Anbau – und auch die sind mit Vorsicht zu genießen, wenn der Apfelbauer kein Öko war.
     
Äpfel im Koma
     
    Doch vor weitgereisten Früchtchen muss der Konsument besonders auf der Hut sein, denn sie werden für ihre 30-Tage-Tour im Kühlraum eines Apfeldampfers chemisch gründlich vorbereitet. Nur unreife Apfelkinder gehen auf die Reise, denn das einzige geschmackliche Qualitätskriterium der Massenware heißt: Knackig muss sie sein! Für Apfelforscher ist »knackig« ein Schimpfwort. »Jeder kann knackige Äpfel produzieren: Man muss sie nur pflücken, bevor sie reif sind«, sagt Eckart Brandt verächtlich. Der Pomologe (lateinisch »poma« = Baumfrucht) sammelt alte Apfelsorten und ist der Hüter des guten alten Apfelgeschmacks.
    Damit die knackigen, aber geschmacksneutralen Äpfel nicht matschig auf der Strecke bleiben, werden sie vor der Abfahrt meist in Antioxidationsflüssigkeit gebadet und gegen Pilzkrankheiten wie die Gloeosporium-Fäule gespritzt oder in ein Fungizidbad getaucht. Eine stinknormale Made traut sich längst nicht mehr in die Nähe von Industriefrüchten. Mit einer Wachsschicht überzogen, treten die Importäpfel dann in einer Art Koma ihre Reise nach Deutschland an, wo derartige chemische Nachbehandlungen verboten sind – nicht jedoch der Import so behandelter Früchte.
    Der Grund für all die Reisevorbereitungen: Es gilt, den natürlichen Alterungsprozess zu stoppen. Wie alle Früchte nehmenÄpfel Sauerstoff auf und geben Kohlendioxid ab: sie atmen. Doch das Atmen macht Äpfel alt, denn dabei findet ein Abbau von Pektin statt, Stärke- und Säuregehalt verändern sich, die Ware wird gefährlich weich. So schrumpelt der Apfel mit jedem Atemzug und verliert, was ihn als Massenware so wertvoll macht: seine Knackigkeit. Um den Alterungsprozess zu stoppen, drehen Importeure den Früchten kurzerhand die Luft ab. Wie

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