Schmeckts noch
Kleinbauern stocken ihren Minibestand an Federvieh oft mit Küken und billigen Ausschusstieren aus den Großanlagen auf. Außerdem beziehen sie Futter aus den Hühnerfabriken. Das erklärt, warum auch bei ihnen im Hinterhof das Virus ausgebrochen ist, denn Hühnerkot, -federn und -kadaver sind als wichtige Eiweißquelle Bestandteile in industriellem Hühnerfutter, da die Proteine am billigsten über Hühnerabfall zu bekommen sind. Obendrein picken freilaufende Vögel den belasteten Dreck auf, der direkt aus den Mastanlagen auf die Felder und damit in die Umwelt ausgebracht wurde. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) können Vogelgrippeviren in Hühnerkot bis zu 35 Tage überleben.
Die Mär von den todbringenden Zugvögeln und den kleinen Hühnerhaltern hielt sich auch in Asien nicht dauerhaft. Ende 2004 entdeckten die Behörden in Kambodscha nach einem Ausbruch von Vogelgrippe die Quelle allen Übels in einer Hühnerfabrik: Tiere des thailändischen Geflügelempires Charoen Pokphand, kurzCP, sollen das Böse ins Land gebracht haben. Plötzlich tauchten überall CP-Hühnchen auf, mit denen der Tod in die Ställe gekommen sein sollte. Auch in Laos, China, Indonesien, Vietnam und der Türkei ist der Konzern dick im Hühnergeschäft. Außerdem ist der Monopolist auch Hersteller von Hühnerfutter. Natürlich hat der Gigant jede Schuld oder Mitverantwortung abgestritten.
Man könnte Nutztiere wie Hühner, Enten und Gänse durchaus gegen Vogelgrippe impfen. Aber auch geimpfte Vögel könnten theoretisch das Virus ausscheiden und das Geschäft begrenzen, und wenn es etwas gibt, was die internationale Geflügelindustrie fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, dann sind es Beschränkungen des ungehinderten internationalen Handels. Die Mär von den todbringenden Zugvögeln, die in Kontakt mit Freilandhühnern kommen könnten, und die irreale Angst der Bevölkerung vor der Vogelgrippe wurden von den industriellen Hühnerhaltern gnadenlos ausgenutzt. Erschien es nicht auf einmal ganz logisch, dass alle Hühner wieder eingesperrt werden müssen? Damit haben die Hühnerbarone dem Ökomarkt einen gehörigen Stoß versetzt, denn die Vogelgrippe machte die Stallpflicht und die damit verbundene Quälerei für das Federvieh erst wieder hoffähig. Dahinter stecken handfeste wirtschaftliche Interessen, denn die Verbraucher weigern sich immer häufiger, Produkte von gequältem Geflügel zu kaufen.
Dabei ist die Vogelgrippe für Geflügelzüchter nichts Neues. 1878 wurde die Virusinfektion, die bei erkrankten Tieren mit Fieber, Atemproblemen und schwerem Durchfall einhergeht, erstmals in Italien beobachtet. Als harmlose Variante existierte das Virus seit vielen Jahrzehnten. In Südostasien jedoch, wo die Masse Tier in den Megaställen dafür gesorgt hat, dass das Virus rasend schnell mutieren konnte, verwandelte es sich in einen Killer. Noch ist ein Ende nicht abzusehen. Holt das Killervirus und die Mär vom gefährlichen Vogelflug irgendwann die letzten Wildvögel vom Himmel? Das wäre eine Tragödie.
Die Spur der Hähnchen
Der internationale Hühnerhandel ist schwer zu kontrollieren. Die Brütereien der Hastavuk Company in der Türkei produzieren über 100 Millionen Eier pro Jahr, die nach Osteuropa und in den Mittleren Osten exportiert werden. Gerade in Brütereien gedeihen Viren hervorragend.
Ungeachtet dessen wird weltweit munter weiter hin und her ex- und importiert. Der legale und illegale Handel und Transport von Futter, Vögeln und deren Abfällen läuft uneingeschränkt in großem Stil. Hühner, Futter, Abfall, Eier und viele, viele Nuggets überwinden mühelos die Grenzen von Ost nach West und von Nord nach Süd. Hühner und ihre Bestandteile sind für den Verbraucher unauffindbar in Fertiggerichten, Soßen, Würzen und Suppen ver arbeitet.
Hähnchenfleisch ist eine globale Ware, die oft nur unzureichend kontrolliert ins Land kommt. Über 150 000 Tonnen Geflügelfleisch wurden 2005 aus außereuropäischen Ländern nach Deutschland importiert. Davon kamen 120 000 Tonnen aus Brasilien, dem nach China und den USA drittgrößten Geflügelfleischproduzenten der Welt, wo in einem Jahr über 1,5 Milliarden Hühner verarbeitet werden. Bei Kontrollen und Stichproben werden immer wieder Nitrofuran und Chloramphenicol im Fleisch gefunden. Diese Antibiotika werden in der Mast eingesetzt, damit die Tiere schneller wachsen – in Deutschland sind sie in der Tiermast allerdings verboten, denn sie gelten als krebserregend.
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