Schmeckts noch
Apfelsorten, heute gibt es vielleicht noch ein knappes Dutzend im Handel. Sie heißen Braeburn, Jonagold, Elstar, Royal Gala und schmecken alle irgendwie gleich. Alle sind gleichmäßig rot, gleichmäßig groß und riechen ein bisschen wie chemisch gereinigt. Vor ein paar Jahren sah der Standardapfel noch anders aus, aber auch Äpfel sind einem Modediktat unterworfen. Der Golden Delicious beispielsweise ist in der Fruchtszene einer von gestern. Die Farbe Gelb ist megaout. Auch Giftgrün ist irgendwie nicht mehr so angesagt in derApfelmodewelt, der grüne Granny Smith jedenfalls hat kräftig Marktanteile eingebüßt. Jetzt steht das Einheitsrot auf der Hitliste des faden Geschmacks ganz weit oben.
Dabei gibt es eine Apfelsorte, die nach Rosen riecht. Sie heißt Signe Tillisch und wird heute von Liebhabern und Pomologen in Obstgärten gesammelt und wie ein Juwel gehütet. Äpfel müssen auch nicht immer rund sein: Die Taubenäpfel sind schmale, längliche Sorten mit ungewöhnlichen Farben. Wenn sie reif sind, sind sie violett. Ausgefallene Geschmacksrichtungen wie beim Nathusius-Taubenapfel, der nach Bittermandel schmeckt, sind heute extrem selten. Der Mutterapfel erinnert an Marzipan, und der Bockenhusen aus Oldenburg schmeckt nach Zartbitterschokolade, hat dabei ein zartes Mandelaroma und einen leicht süßlichen Nachgeschmack. »Wer diese Äpfel einmal probiert hat, vergisst ihr Aroma nie wieder«, schwärmt Apfelexperte Eckart Brandt aus Großenwörden im Landkreis Stade.
Der Pomologe hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, alte Apfelsorten zu retten. Er kämpft gegen den EU-genormten Einheitsgeschmack und hat eine Art Apfelgenbank mit seltenen, vom Aussterben bedrohten Sorten zusammengetragen. Seine Sammlerstücke sind real existierende Bäume mit Früchten aus der guten alten Apfelzeit, die in mehreren Apfelgärten stehen. Ein Stück Vergangenheit, das einem auf der Zunge zergeht. Äpfel wie diese haben Geschichte geschrieben: Wilhelm Tell schoss seinem Sohn einen Apfel vom Kopf, Isaac Newton erforschte mit Äpfeln die Gravitationskräfte, und Eva verführte mit dieser Frucht ihren Adam im Paradies.
Heute weiß man, dass Eva eine Asiatin gewesen sein muss, wenn die Geschichte mit dem Apfel stimmt. Denn die Heimat des Urapfels liegt irgendwo im Südwesten Chinas. Im Tien-Shan-Gebirge in Kasachstan wächst auch heute noch der Wildapfel Malus sieversii, der mit unseren Kulturäpfeln eng verwandt ist. In Asien gibt es viele Wildapfelsorten, die bei Apfelzuchten eingekreuzt werden. »Die Menge der Apfelsorten könnte unendlich groß sein«, erklärt Eckart Brandt. »Wenn man die Kerne in die Erde steckt, erhält man nicht etwa die gleiche Apfelsorte.« In den Kernen steckt ein Kreuzungsprodukt. Man könnte also immer neue Apfelsorten erhalten, wenn man nur Kerne aussät. »Das ist leider nicht besonders aufregend«, sagt Brandt, »denn die meisten Äpfel wären viel zu sauer und ungenießbar.« Deshalb muss der Apfelbauer die Bäume mit Pfropfen von Reisern vermehren.
Alter Apfeladel
Äpfel sind nicht nur historisch gesehen ein vielseitiges Obst, auch in der Küche wollen sie nicht als Einheitsfrüchtchen verbraten werden: Es gibt Sorten wie den Gravensteiner, die sich perfekt für Apfelmus eignen, während der Horneburger Pfannkuchen, der Holsteiner Cox und der Boskoop ideale Tafeläpfel sind oder sich bestens zum Kuchenbacken eignen. Doch der alte Apfeladel, den Eckart Brandt so liebevoll hofiert und dem berühmte Dichter wie Heinrich Heine und Theodor Fontane eigene Apfelgedichte geschrieben haben, ist akut vom Aussterben bedroht. Die letzten ihrer Art heißen Kaiser Alexander, Königlicher Kurzstiel und Herbstprinz, oder sie haben so märchenhafte Namen wie Schafsnase oder Schöner aus Wiedenbrück. Der Wilstedter Apfel erhielt sogar das Prädikat »besonders wertvoll«, obwohl er unregelmäßig geformt und eher unscheinbar ist. Jetzt gibt es nur noch einige wenige Bäume in Norddeutschland, denn leider gehen die alten Sorten heute im primitiven Apfelsortenallerlei unter.
Die irrste Apfelidee kommt natürlich aus dem Land der unbegrenzten Zuchtmöglichkeiten: In Amerika wurde jetzt der »Apfel light« erfunden. Man hat die Erbanlagen der Apfelbäume so manipuliert, dass statt Fructose der Zuckeraustauschstoff Sorbitol in dieFrucht eingelagert wird. Dadurch spart der Apfelesser etwa 40 Prozent der Kalorien ein. Da Äpfel mit weniger als 80 kcal pro Frucht ohnehin nicht zu den Dickmachern gehören, ist
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