Schmeckts noch
Sie gewinnen sogar an Geschmack, wenn sie ein bisschen liegen. Erdbeeren, Kirschen, Tafeltrauben, Ananas und Zitrusfrüchte wie Mandarinen, Orangen und Grapefruits werden dagegen durch die Lagerung daheim nicht besser. Einmal gepflückt, ist der Reifeprozess abgeschlossen.
Tropische Früchte werden unreif in Süd- und Mittelamerika oder Gott weiß wo gepflückt, aufs Schiff verladen und bei etwa 8 bis 13 Grad im Kühlcontainer übers Meer geschippert. Bei Bananen und Mangos darf die Temperatur nicht unter 12 Grad sinken, um Kälteschäden zu vermeiden. Kälteunempfindlich sind dagegen Feigen, Kiwi und Kaki, die bis kurz über den Gefrierpunkt heruntergekühlt werden können. Bananen kommen aus Costa Rica, Mangos, Ananas und Papayas sind von Mittel- und Südamerika aus lange unterwegs. Ausgereifte, köstliche Papayas, die das Urlaubsfeeling auf die Zunge zaubern, würden den Transport nicht überstehen; als Schiffsobst ist die Frucht einfach zu empfindlich. Wenn die Schale der Supermarktpapayas grün-gelb ist und schwarze Flecken hat, sind schon auf dem Transport in derKühlung Zellen abgestorben, Pilzkrankheiten können sich ungehindert ausbreiten, wofür die schwarzen Flecken sprechen. Kein Wunder, dass die Supermarktpapayas nicht schmecken.
Was für lange Schiffsreisen zu empfindlich ist, wird von Edelfruchtimporteuren für das zahlungskräftige Feinschmeckerpublikum aufs Flugzeug gepackt. Wer ein funktionierendes Umweltgewissen hat und an den CO 2 -Ausstoß und die Klimakatastrophe denkt, dem muss beim Genuss von Jet-Set-Obst jeder Bissen im Halse steckenbleiben. Tropische Früchte sind eben keine Massenfrüchte. Ein Anflug von Einsicht kam dem probierfreudigen Käufer vielleicht mit der Karambole: Die gelbgrüne Sternfrucht fällt im Obstsalat als saftiger Himmelskörper zwar optisch angenehm auf, doch der Geschmack lässt mehr als zu wünschen übrig. Da schmeckt jeder deutsche Apfel besser. Wen wundert es?
Ernährungswissenschaftler und Umweltschützer predigen seit Jahren einstimmig: Kauft saisonal und regional! Auf gut deutsch: Verzichtet auf Exoten und esst erst dann Erdbeeren, wenn die begehrten Feldfrüchtchen in Deutschland reif sind. Der gute Rat gilt nicht nur für Erdbeeren …
Alte Nutz- und Kulturpflanzen werden verdrängt
Mit dem Einzug von Exoten und vor allem durch die marktbeherrschende Importware findet ein Verdrängungsprozess statt, dem die alten Nutz- und Kulturpflanzen zum Opfer fallen. Alte Obst- und Gemüsesorten werden durch industriefreundliche Früchtchen ersetzt, die unaufhaltsam den Markt erobern. Auf diese Weise haben wir in den letzten 100 Jahren gut 75 Prozent unserer Kulturpflanzen verloren. Auf einer Kartoffelausstellung in Thüringen wurden 1875 noch 2644 verschiedene Sorten gezeigt – heute sind noch knapp 100 Sorten im Handel, Industriekartoffeln zur Stärkeherstellung mitgerechnet. Es gab gut 1000 unterschiedliche Bohnensorten, von denen heute vielleicht noch 100 bekannt sind. In der industriellen Landwirtschaft zählt allein, ob die Frucht maschinentauglich ist und ohne Aufwand geerntet werden kann. EU-Normen legen heute fest, wie 1a-Früchtchen auszusehen haben: Spargel der Güteklasse »Extra« muss einen Durchmesser von mindestens 12 mm aufweisen, Kartoffeln müssen 35 mm dick und Bananen mindestens 14 cm lang sein.
Saisonal und regional –Obst und Gemüse rund ums Jahr
Quelle:
Greenpeace Magazin
Bei all dem industriellen Ackern gehen die guten alten Sorten verloren. Heute halten die Kandidaten in Quizshows Topinambur für ein indisches Musikinstrument, Pastinaken für ein asiatisches Reitervolk und Mangold für einen Fußballtrainer. Wer weiß heute schon noch, dass es sich in allen drei Fällen um urwüchsige Gemüsesorten handelt, die köstlich schmecken und obendrein sehr gesund sind? Auch Stielmus, Steckrüben, Schwarzwurzeln und Rote Beete sind vom Wochenmarkt weitgehend verschwunden. Nur in Feinschmeckerkreisen erleben die Urgemüse eine ungeahnte Renaissance. In Sternerestaurants kommen die Klassiker aus den Hungerjahren nach dem Krieg zu neuen Ehren. Mangold gibt es als Antipasti mit Parmesan überbacken. Die Blätter schmecken auch roh im Salat oder wie Spinat zubereitet.
Schon die Kräuterhexen im Mittelalter haben die Wirkstoffe der Urgemüse zu schätzen gewusst. Schwarzwurzeln wurden gegen allerlei Krankheiten verkocht und zum Beispiel bei Husten und Schwindel verabreicht, Ärzte setzten die Wurzel gegen Schlangenbisse ein.
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