Schmeckts noch
Chile importiert. Kaum jemand weiß noch, wie vielfältig Linsen sind. Neben der gängigen braunen Sorte gibt es marmorierte, gestreifte, grün-blau gesprenkelte, rote, gelbe, grüne und schwarze Linsen. Zuckerlinsen sind kleiner als vier Millimeter, Riesenlinsen etwa doppelt so groß. Je kleiner die Linse ist, um so schmackhafter ist sie auch. Die Luxuslinse heißt Beluga, und sie erinnert wirklich an Kaviar, denn sie ist schwarz, klein und glänzt wie die edlen Fischeierchen. Ihr feines Aroma wird mit Maronen verglichen. Die Hülsenfrucht gehört zu den ältesten Ackerfrüchten überhaupt. Archäologen fanden am Euphrat in Mesopotamien Reste von Linsen, die über 10 000 Jahre alt waren.
Bohnen haben die Menschen schon in der Steinzeit gegessen. Bei den Griechen und Römern waren sie ein typisches Armeleuteessen. Während die Oberschicht es ablehnte, überhaupt Bohnen zu essen, waren die Früchte für die armen Bauern rund ums Mittelmeer über Jahrtausende ein Grundnahrungsmittel. Im Mittelalter wurden die Samen wie Perlen an Ketten aufgezogen, um sie haltbar zu machen. Es gab viele hundert unterschiedliche Sorten, von denen die meisten in Vergessenheit geraten sind.
Auch bei Tomaten ist die ursprüngliche Vielfalt immens. Weit über 400 unterschiedliche Sorten sind bekannt. Es gibt fleischige große und ganz kleine, runde und längliche, glatte und sogar gezahnte Variationen des Nachtschattengewächses. Aber am meisten verblüfft den Laien, der sich an die Einheitstomaten aus dem Supermarktgewöhnt hat und als »Delikatesse« allenfalls noch Cherry- und Strauchtomaten isst, das ungeheure Farbenspektrum der Frucht. Tomaten können ganz dunkel sein wie die »Black Plum«, fast weiß wie die »Beauty Blanche«, gelb wie das »Blondköpfchen« und sogar gestreift wie die »Tiger striped«. Es gibt Tomaten, die bleiben grün, auch wenn sie reif sind; in Indien wird diese Sorte zu Chutney verarbeitet. Gelbe Tomaten sind so süß, dass sie früher eingekocht wurden und man sie als Konfitüre aufs Brot aß. Das Nachtschattengewächs kommt ursprünglich aus Mittel- und Südamerika und wurde von den spanischen Eroberern um 1525 erstmals nach Europa geschifft.
Als Gentomate verlor die Frucht Anfang der neunziger Jahre ihre Unschuld und machte als »Anti-Matsch-Tomate« negative Schlagzeilen. Eigentlich heißt die Gentomate »FlavrSavr« und ist eine Erfindung der Amerikaner. Die kalifornische Firma Calgene baute eine Nukleinsäure in die Pflanze ein, um sie länger lagerfähig zu machen. Und die Tomate hielt wirklich wochenlang, ohne sich äußerlich zu verändern. Im Innern allerdings verlor sie mit der Zeit all die Nährwerte, die Tomaten so wertvoll machen – man konnte es ihr nur nicht ansehen.
Zusammen mit dem Genmais gehörte die Anti-Matsch-Tomate zu den ersten gentechnisch veränderten Lebensmitteln der Welt. Sie hat sich wegen ihres langweiligen Aromas und der harten Schale auf dem Markt nie richtig durchsetzen können. Schließlich wurde sie in den USA zu Ketchup verarbeitet.
Tomaten auf der Intensivstation
Industrietomaten werden heute in gigantischen Gewächshäusern wie Intensivpatienten aus maschinell gesäten Samen in ihr erbärmliches Gemüseleben gezüchtet. Sie sind bei der Ernte makellosund schnittfest, ewig haltbar und können in ihrer harten Haut problemlos durch ganz Europa gekarrt werden. Doch der feine Tomatengeschmack, der vom Zucker-Säure-Verhältnis abhängig ist und sich erst im letzten Reifestadium der Pflanze durch die Sonneneinstrahlung optimiert, ist den meisten Sorten verlorengegangen. Wenn Tomaten grün gepflückt und künstlich zur Reife gebracht werden, schmecken sie nicht einmal halb so gut.
Beim Anbau muss alles schnell und rationell zugehen. Hochmoderne Treibhäuser erinnern an Intensivstationen. Besucher dürfen die Anlagen nur betreten, wenn sie weiße Kittel und Überschuhe anziehen. Die Angst vor Erregern und Krankheitskeimen ist groß, denn Industrietomaten sind empfindlich. Wie Patienten werden sie über Schläuche ernährt. Ihre Wurzeln stehen nicht fest in der Erde, sondern wackelig auf künstlich angelegten Beeten aus Substraten wie Steinwolle, Kokosfaser und Nährsubstrat. Die Pflanze muss gestützt werden, denn die Wurzeln, die normalerweise über einen Meter tief in die Erde reichen, kriechen bei den Plantagentomaten auf engstem Raum über die Steinwolle und geben der Pflanze keinen Halt. Natürliche Erde mit all ihren Bakterien und Pilzen ist den
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