Schmetterball
verlieren. Für einen Moment überlegte Lennart sogar, einfach zu Hause zu bleiben. Er hätte eine Grippe vortäuschen können,
die ihn über Nacht erwischt hatte und ihn zwang, im Bett zu bleiben. Dann würde Kevin das Spiel kampflos gewinnen und wäre
eine Runde weiter.
»Ziemlich unglaubwürdig!«, verwarf Lennart diesen Gedanken. Gegenüber seinen Freunden würde ihm das jedenfalls nicht weiterhelfen.
Sie würden ihm einen Krankenbesuch abstatten und ihn mit ihren Fragen ausquetschen. Da konnte Lennart ebenso gut zum Spiel
fahren und schauen, ob nicht vielleicht in letzter Minute noch ein Wunder geschah.
Er packte seine Sporttasche so langsam wie nie zuvor. Sonst war er bei Turnieren immer überpünktlich und mochte es gar nicht,
kurz davor in Eile zu geraten. Heute war er sehr spät dran und musste sich jetzt sogar plötzlich sputen. Jabali, Michael,
Linh und Ilka sollten ihn nicht vermissen und anfangen, unnötige Fragen zu stellen. Also schwang er sich auf sein Mountainbike
und düste in rekordverdächtigem Tempo zur Stadthalle. Der große Parkplatz davor war schon fast belegt. Das bedeutete, dass
auch heute die Spiele gut besucht sein würden. Unter normalen Umständen hätte Lennart sich darüber gefreut. Heute nicht. Er
schloss sein Rad an einen Pfeiler nahe des Eingangs zu den Umkleiden.
Ilka und Linh waren schon da. Sie hatten sich auf halber Strecke getroffen und waren gemeinsam zur Halle gefahren. Linh hatte
ein kleines Päckchen dabei.
»Für Lennart?«, fragte Ilka.
Linh nickte. Sie überraschte hin und wieder mit dem Brauch, zu besonderen Anlässen in Teig eingebackene Glücksverse zu verschenken.
Michael hatte sich an diesem Morgen für den Bus entschieden. Von der Bushaltestelle aus konnte erbeim Aussteigen erkennen, wie Lennart sein Rad anschloss. Michael lief los und rief ihm schon von Weitem zu.
Aber Lennart schien nicht zu hören. Er zog, ohne sich nach Michael umzuschauen, direkt Richtung Umkleiden ab. Hinter ihm sah
Michael einen großen, stämmigen Jungen. Mindestens 16 Jahre, schätzte Michael. Es schien, als ob der Typ Lennart folgte. Jedenfalls verschwand er auch im Nebeneingang zu den Umkleiden.
Michael dachte sich eigentlich nichts weiter dabei. Trotzdem fand er es irgendwie seltsam, denn die Spiele der Älteren begannen
erst am späten Nachmittag. Daher nahm er sich vor, Lennart später auf den Typen anzusprechen.
Da er selbst in den Umkleiden nichts zu suchen hatte, ging Michael durch den Haupteingang zu den Tribünenplätzen.
Ilka und Linh saßen schon da. Wieder hatten sie Plätze in der ersten Reihe ergattert. Neben ihnen hielten sie die Plätze für
Jabali und Michael frei, indem sie ihre Jacken über die benachbarten Sitze gelegt hatten. Michael begrüßte die beiden Mädchen
und setzte sich sichtlich zufrieden über deren Platzwahl auf den Sitz neben Ilka. Jabali würde erstkurz vor Spielbeginn eintreffen. Er hatte heute einen besonders langen Lauf auf seinem Trainingsplan und war bereits seit
dem frühen Morgen unterwegs.
»Hast du Lennart schon gesehen?«, fragte Linh. »Hier hat er sich noch nicht blicken lassen.«
Michael erzählte von seiner Beobachtung und dem seltsamen Typen vor der Halle.
»Hmm«, grummelte Ilka, als Michael mit seiner Erzählung fertig war. Dann berichtete sie von ihrem komischen Telefonat mit
Lennart am Vorabend. Das wiederum konnte Michael nicht verstehen.
»Ich habe ihm gestern den Schläger gebracht. Da war Lennart total happy. Niedergeschlagen wirkte er überhaupt nicht.«
»Vielleicht ist zwischen deinem Besuch, Michael, und Ilkas Telefonat irgendwas passiert?«, kombinierte Linh. Aber weder sie
noch die anderen beiden hatten eine Idee, was das gewesen sein könnte.
»Wir werden ja sehen, wie er gleich im Match drauf ist«, sagte Linh.
Lennarts Gegner Kevin ging schon an den Tisch und begann, sich mit einem Trainingspartner warm zu spielen. Solange der Gegner
nicht auftauchte, war das auch erlaubt.
Jetzt waren es nur noch zwei Minuten bis zum Spielbeginn.
»Wirklich seltsam, Lennart kommt sonst doch nie so spät«, wunderte sich Ilka.
Michael nickte. »Außerdem wollte er sich beim Warmspielen noch auf seinen neuen Speedball einstellen.« Langsam wurden er,
Ilka und Linh wirklich nervös.
»Da ist er ja!«, rief Ilka. Sie zeigte hinunter auf Lennart, der gerade die Halle betrat – und schnurstracks zu einem kleinen
Tisch des Wettkampf-Organisators marschierte, an dem auch Herr
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