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Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
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noch nicht vollständig abgeschlossen war «, daß er sich eher als für Balzac » für Golf, Tennis, Fußball, Wettlauf und vor allem Polo « interessiere.
    » ›Ah!‹ antwortete Monsieur de Charlus mit dem entzückten Lächeln des Intellektuellen, der sich nicht einmal die Mühe macht, seine Ironie zu verbergen, sich aber noch dazu den anderen so überlegen fühlt und auch die Intelligenz der keineswegs Dummen derart verachtet, daß er kaum zwischen ihnen und denen einen Unterschied macht, die es hochgradig sind, in dem Augenblick, wo sie ihm auf andere Art angenehm sein könnten. Monsieur de Charlus fand, daß er den Grafen Arnulphe, indem er mit ihm sprach, mit einer Rangerhöhung bedachte, die jedermann erkennen und ihm neiden müsse. « Manchmal sind die Rangerhöhten aber gar nicht so blind, zumindest reicht es dafür zu argwöhnen, man nehme sie nicht ernst. Man muß Witze nicht verstehen, um zu bemerken, daß es sich um Witze gehandelt hat.
    Swanns Müdigkeit ist echt und nicht nervös: » Gewiß gehörte Swann nicht durchaus zu jenen unermüdlichen Erschöpften, die bei ihrer Ankunft erledigt, zerschlagen, sich kaum noch aufrecht zu halten vermögen, dann aber in der Unterhaltung sich von neuem beleben wie eine Blume, die man ins Wasser stellt, und stundenlang aus ihren eigenen Worten Kräfte schöpfen, die sie leider auf ihre Zuhörer nicht zu übertragen imstande sind, so daß diese in dem Maße abgespannter wirken, wie der Sprecher munterer wird. « Aber die größte Müdigkeit und die Nähe des Todes verhindern nicht, daß man an einem Dekolleté nicht ohne hineinzulugen vorbeigehen kann: » Die Marquise kehrte sich um und wendete ein Lächeln und einen Händedruck an Swann, der sich erhoben hatte, um sie zu begrüßen. Doch fast ohne jede Verhüllung – vielleicht weil er bei seinem stark vorgeschrittenen Leben durch Gleichgültigkeit gegenüber der Meinung anderer die moralische Kraft oder durch Übersteigerung der Begehrlichkeit und ein Nachlassen der Fähigkeit, sie zu verbergen, das physische Vermögen dazu verloren hatte – ließ Swann, sobald er die Hand der Marquise ergriff und aus der Nähe, von oben herab ihres Busens ansichtig wurde, einen aufmerksamen, ernsthaft vertieften, ja beinahe besorgten Blick in ihren Taillenausschnitt hinabgleiten, und seine Nasenflügel, vom Duft der Frau berauscht, erbebten wie ein Falter, der sich auf der von weitem erspähten Blume niederzulassen gedenkt. Jäh riß er sich aus dem Schwindel zurück, der ihn erfaßt hatte, und Madame de Surgis selbst erstickte, wenn auch befangen, ein tiefes Aufatmen, so ansteckend kann zuweilen physisches Begehren sein. « Was für eine berührende Szene. Das Spiel mit den Nasenflügeln muß ich noch üben, aber ich kann schon sehr gut besorgt in Taillenausschnitte blicken. Und das bei einem Mann, der jederzeit sterben kann! Swann hofft eigentlich nur, noch das Ende der Dreyfus-Affäre zu erleben, er möchte die Gerechtigkeit siegen sehen.
    Swann lädt Marcel ein, doch wieder einmal Gilberte zu besuchen. Aber: » Ich hatte keine Lust, sie zu sehen, aber auch nicht einmal mehr, ihr ausdrücklich darzutun, daß sie zu sehen mir nicht mehr wichtig sei, was ich mir doch vorgenommen hatte, als ich sie noch liebte, ihr täglich zu verstehen zu geben, sobald ich sie einmal nicht mehr lieben würde. « Traurig, wenn einem die Genugtuung am Ende gar keine Freude mehr macht.
    Katalog kommunikativer Knackpunkte:
    – Heimliche Liebe: » Ich hatte wohl mit Staunen bemerkt, daß, wenn ich etwas erzählte, was mich selbst betraf, und mitten in meinem Bericht Monsieur de Charlus erwähnte, die Aufmerksamkeit der Prinzessin auf der Stelle in der Weise intensiver wurde wie die eines Kranken, der, solange wir von uns selbst sprechen, folgerichtig zerstreut und lässig zuhört, dann aber plötzlich den Namen des Übels zu vernehmen glaubt, von dem er selbst betroffen ist, was ihn dann gleichzeitig interessiert und freut. «
    Verlorene Praxis:
    – Arm auf seinen Besitzungen leben.
    – Die schlaffen Zügel seiner Aufmerksamkeit von neuem in die Hand nehmen.
    Selbständig lebensfähige Sentenz:
    – » Von einem gewissen Grad der Abspannung an, ob diese nun durch Alter oder Krankheit verursacht ist, wird jedes Vergnügen, das auf Kosten des Schlafes geht oder sich auch nur außerhalb unserer Gewohnheiten abspielt, jede Regelwidrigkeit, zu schwerem Mißvergnügen. «
    96 . Di, 24.10., Berlin
    Die Behinderten, die in Amerika an den

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