Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
Vom Netzwerk:
Inventar:
    – Ein königlicher Zelter, Cicisbeo.
    Verlorene Praxis:
    – » Mit einem nicht unkleidsamen Ausdruck von Müdigkeit « eine Treppe ersteigen.
    – Mit einer » dumpfen Entschlossenheit, sich nicht unterbrechen zu lassen «, zwanzigmal wieder da anfangen, wo man stehengeblieben ist, und damit seiner Rede » die unerschütterliche Solidität einer Bachschen Fuge « verleihen.
    97 . Mi, 25.10., Berlin
    Die Maus hakt, man muß sie immer ein paar Mal hin und herschieben, damit der Pfeil auf dem Bildschirm sich bewegt. Der Wasserkocher stellt sich nicht mehr von alleine aus. Der Duschkopf tropft. Der Schalter für das Deckenlicht in der Küche hat keinen Strom. Die Glühbirne vom Kühlschrank ist kaputt. Die Kindersicherung vom Gashahn reagiert erst nach zwanzig Sekunden. Im CD-Player schleifen die CDs. Der Brieföffner aus Ebenholz ist zerbrochen und mit Tesafilm geflickt. Vom verrosteten Wäscheständer werden meine weißen Hemden fleckig. Die Lehne vom Schreibtischstuhl fällt ab. Das linke Fenster vom Windows-Explorer ist seit einer Weile nur noch eine graue Fläche. Im Schnürsenkel ist ein Knoten, der beim Schleifebinden stört. Beim Plattenspieler muß man das Netzteil ziehen, weil sich der Tonarm sonst endlos auf die Platte senkt und wieder hebt. Und beim Anschalten muß man der Platte mit dem Finger Schwung geben. Der Stecker vom Kabel ist ein bißchen zu klein für den Rasierapparat und rutscht immer raus, außerdem ist der Schiebeschalter kaputt. Das Kabel vom Fön scheint gebrochen zu sein, man muß es zu einer Schlaufe drehen. Der Reißverschluß der Winterjacke ist seit zwei Jahren kaputt. Alle Hosen haben Löcher in den Taschen. Alle Stifte sind eingetrocknet oder klecksen. Der neue Bleistiftanspitzer ist schon beim ersten Durchlauf aus dem Gehäuse gebrochen. Den Wasserhahn von der Waschmaschine muß man zudrehen, weil die Maschine sich sonst bis zum Rand mit Wasser füllt. Von der Wäscheschranktür nur den kleinen Flügel aufmachen, weil sie sonst aufschwingt, der Riegel ist zu schwach für die schwere Tür. Die Heizuhr verstehe ich nicht, ich drehe immer das Ventil vom Heizkörper im Zimmer auf und zu, was man aber eigentlich nicht darf. Das Wasser von der Heizung hat weniger als ein Bar Druck, ich hätte einen Schlauch zum Befüllen, sagt der Gasmann, hab ich aber nicht und kann ich nicht. Die Klospülung muß man mehrmals drücken, bis das Wasser stoppt, sonst läuft es ewig weiter. Die rechte Dose von der Steckdosenleiste im Zimmer nicht benutzen, weil man den Stecker dort nur ganz schwer wieder rauskriegt. Wenn die vordere Fahrradleuchte nicht geht, muß man so lange an den Batterien drehen, bis sie doch geht, dann den Deckel ganz vorsichtig zuschieben. Der linke Reißverschluß vom Trinkgürtel ist eingerostet. Der teure MD-Player von Sony hat noch nie richtig funktioniert. Beim MP3-Player hatte die Buchse nach einem halben Jahr einen Wackelkontakt. Vorsicht mit dem Portemonnaie, die Münztasche scheint unten bald zu reißen. Die Tintenstandsmeldungen vom Drucker einfach ignorieren und »Abbrechen« drücken, bis er weitermacht. Die Vorhänge im Zimmer am besten so lassen, sonst reißt der Draht. Das Bügelschloß kann man über den Lenker hängen, die Halterung ist abgebrochen, hab ich ja erzählt.
    Man könnte von seinen Geräten lernen, daß man umso weniger vermißt wird, je besser man seine Arbeit macht.
    Sodom und Gomorra, S. 171–191
    Wie soll man Druck auf das Objekt der Begierde ausüben, wenn man selbst der Bedürftige ist? Schnell stellt sich Aggressivität ein, und » jetzt in meinem Zorn wollte ich sie mehr noch aus dem Bedürfnis, ihr Ungelegenheiten zu bereiten, als dem, sie zu sehen, dazu zwingen, daß sie zu mir käme «. Trotzdem will Marcel Albertine auflaufen lassen, um erst ganz am Ende des Gesprächs einzuwilligen, daß sie kommen kann. Wenn er sich da mal nicht verkalkuliert … Die Geräusche, in der Leitung irritieren ihn, eine Fahrradklingel, eine singende Frau, ferne Militärmusik, alles Stückchen von Realität, » etwa wie man mit einem Erdklumpen auch alle daran haftenden Gräser heimbringt «.
    Angeblich legt er keinen Wert darauf, daß sie noch kommt. Aber er wolle doch noch einmal festgestellt haben, daß es eigentlich abgemacht war, sie habe ja auch geantwortet » Gut, es ist abgemacht. « Darauf Albertine: » Ich habe gesagt, es sei abgemacht, nur wußte ich nicht, was eigentlich abgemacht war. « Man wird es nicht schaffen, eine Frau mit Argumenten

Weitere Kostenlose Bücher