Schmidts Bewährung
oft angerufen.
Aber auf dem Anrufbeantworter war nichts von dir.
Ich habe nicht darauf gesprochen. Es ist alles so furchtbar.
Jetzt fing sie an zu weinen. Wann hatte er sie zuletzt weinen hören? Nicht bei Marys Begräbnis, da hatten sie nicht geweint, beide nicht, aber an dem Nachmittag, als er ihr gesagt hatte, es sei Zeit, Mary gehen zu lassen. Vier mittelgroße Pillen von den acht, die David Kendall verordnet hatte; das Rezept hatten sie in der Apotheke in East Hampton eingelöst. Er hatte sich nicht überwinden können, in die Apotheke in Bridgehampton zu gehen, wo sie in all den Jahren Hausmittel gegen giftigen Efeu, Bindehautentzündung und gegen Charlottes Bläschenausschlag gekauft hatten. Der Apotheker ließ ihn warten und rief den armen Dr. Kendall an, um sich die Verschreibung bestätigen zu lassen, setzte dann eine tröstende Miene auf; dieselbe Miene sah er am nächsten Tag im Gesicht des Beerdigungsunternehmers.
Mein Schatz, was ist denn?
Oh Dad, mir geht’s so elend. Es ist wegen Harry Polk.
Was ist denn passiert?
Er hat mich verlassen. Einfach so. Er ist nach Egremont gefahren, es war sein Wochenende mit den Kindern, und deren Mutter sollte wie sonst fort sein, aber das Biest war nicht weggefahren, also haben sie über das Wochenende alle zusammen im Haus gewohnt. Dann nahm er diese Woche Urlaub, um dort zu bleiben, und heute, als ich gerade zur Gymnastik gehen wollte, hat er angerufen, um mir zu sagen, die Scheidung sei ein Fehler gewesen, sie wollten wieder zusammenleben. Der Scheißkerl! Er hat verlangt, ich soll mich für ihn freuen. Dad, ich liebe ihn. Ich habe alles getan, was er wollte, und er hat mir immer noch das Gefühl gegeben, ich sei eine Art Göttin. Und jetzt erzählt er mir, daß er glücklich ist mit ihr!
Das tut mir so leid. Glaubst du, es ist ihm ernst?
Ja, es ist ihm ernst. Weißt du, was er zu mir gesagt hat: Du kommst drüber weg, und du solltest dich für die Buben freuen. Du hast doch immer gesagt, du magst sie. Jetzt haben sie ihren Dad wieder. Also dann bis nächste Woche im Büro.
Das ist bitter, mein Schatz. Aber du wirst darüber wegkommen, das verspreche ich dir.
Dad, ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende. Im Büro wissen alle Bescheid über uns. Wie sehe ich denn jetzt aus?
Wie eine Dame, die Unrecht erlitten hat.
Die sitzengelassen wurde, willst du sagen. Was mache ich denn jetzt mit dieser neuen Firma? Ich habe den Mietvertrag für das Büro unterschrieben. Und das ganze Geld!
Das sollte jetzt deine geringste Sorge sein. Ich helfe dir, das bringen wir in Ordnung. Du hast doch deinen Job noch nicht gekündigt?
Nein, das wollten wir nächste Woche zusammen machen.
An deiner Stelle würde ich alles beim alten lassen. Jedenfalls vorläufig. Möchtest du hier herauskommen? Ich würde mich freuen. Sehr sogar.
Ich ruf dich an. Vielleicht am Wochenende. Wenn ich mich aufraffen kann.
Komm heute abend. Oder morgen. Du mußt dich jetzt verwöhnen lassen.
Ich kann nicht, Dad. Ich habe Arbeit. Erinnerst du dich? Wegen des Wochenendes rufe ich dann an.
Soviel zu Mr. Polk aus Virginia – oder woher er in Wahrheit kam. Dies schien kein guter Tag für den Rest der Familie Schmidt zu sein, aber zumindest auf Charlotte paßte offenbar der abgestandene alte Spruch: besser gleich als später; gut, daß du ihn los bist, und so weiter. Ödes Mantra der Narrenweisheit, das man herunterleiert, während das Herz bricht. Im Licht dieses vollbrachten Unrechts konnte man wohl sagen, Carries ungeklärter Ausflug nach New York verlange nach einem Aufschub des Urteils, man durfte behaupten, daß nichts geschehen sei. Nur, daß das nicht stimmte. Sie hatte die Fahrt lange genug im voraus geplant, um sich mit Michael Mansour zu verabreden. Das wiederum hieß, sie mußte es vor zwei Abenden längst schon gewußt haben, als sie mit dem Cellisten bei Mansour zu Abend aßen – es sei denn, Carrie und Michael hielten telefonischen Kontakt. Und sie hatte die Verabredung getroffen. Wessen Idee war das gewesen? Seine – wenn du in New York bist, chérie, dann könnte ich dir allerhand zeigen. Ihre – hey, ich müßte mal meine Eltern besuchen, Mann, ich weiß nicht, vielleicht diese Woche. Können wir uns auch treffen? Wow! Mike, du verkohlst mich doch, meinst du, das können wir machen, echt? Von welcher Sorte mochten die Sehenswürdigkeiten sein, die Mr. Mansour Miss Gorchuck in der großen Stadt zeigen würde? Welche Amüsements? Natürlich die üblichen, vielleicht mit einer
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