Schmiede Gottes
Innere.
Stille. Keine Geräusche von Maschinen, keine Stimmen, kein Luftzug. Nur sein eigener Atem. Nachdem er sich ein paar Minuten ausgeruht hatte, kroch Rogers weiter. Die Lampe hatte er sich an ein Handgelenk geschnallt, so daß sie bei jeder Bewegung den Tunnel überstrich.
Dreißig Meter weiter vorn öffnete sich der Tunnel zu einem größeren Raum. Er zögerte nicht. Eifrig darauf bedacht, aus der Enge herauszukommen, kroch Rogers vorwärts, ergriff den Rand des Tunnels mit beiden Händen, steckte den Kopf hinaus und leuchtete die Umgebung ab.
»Ich befinde mich in einer zylindrischen Kammer«, sagte er laut. »Ungefähr zehn Meter lang und sechs Meter im Durchmesser. Ich befinde mich wahrscheinlich in der Mitte des Hügels« – er zog seine Skizze zu Rate – »vielleicht achtzehn oder vierundzwanzig Meter unter dem Gipfel des Hügels. Die Wände sind blank, wie Email oder Kunststoff oder Glas. Dunkelgrau mit einem Stich ins Blaue. Die Tunnelöffnung befindet sich nahe der Rückseite des Zylinders; und an der Vorderseite…« – er befragte die Karte – »nach Nordwest gerichtet, gibt es einen zweiten, noch größeren Raum. Kein Anzeichen von Wohnräumen oder Bewohnern. Keine Aktivität.«
Er stand in dem Zylinder auf und prüfte den Boden mit den Stiefeln. Die Reibung genügte, um leicht voranzukommen. »Ich gehe weiter.«
Rogers ging bis zum Rande des Zylinders und leuchtete dabei stets nach vorn. Dann öffnete er sein Brustpaket und entnahm ihm zwei extrahelle Handscheinwerfer. Er hielt sie in Abstand von den Augen und schaltete sie beide ein.
Mit weit offenem Munde blickte Rogers in eine Höhle, die mindestens dreißig Meter lang und vierundzwanzig Meter hoch war. Die zylindrische Kammer lag gerade in der Mitte des einen Endes, so daß er sich ungefähr sechs Meter über dem Boden befand. Er sagte: »Sie ist voll von blanken Facetten, wie ein Edelstein. Eher wie Glas. Nicht Spiegel, sondern blank. Eigentlich auch keine Facetten, aber Strukturen – Balken, Stützen, Streben. Es ist hier drin wie in einer Kathedrale, aber alles besteht aus blaugrauem Glas.« Er machte einige Dutzend Aufnahmen mit der Hasselblad. Dann ließ er die Kamera sinken und schaute bloß noch, bestrebt, es sich im Gedächtnis einzuprägen und in dem, was er sah, einen Sinn zu entdecken.
Vom Ende des Zylinders bis zu der üppig schimmernden Fläche darunter ging es mindestens zehn Meter weit nach unten. Kein Gedanke herunterzukommen; es gab nichts, um das Seil festzumachen, und er würde nicht einmal versuchen, einen Haken einzuschlagen.
Er sagte: »Ich kann nicht weitergehen. Es bewegt sich nichts. Keine Stelle, die ich als Wohnraum bezeichnen könnte. Auch keine Maschinerie zu sehen. Und keine Lichter. Ich werde die Scheinwerfer ausschalten und sehen, ob irgend etwas nachleuchtet.« Er tauchte in völlige Finsternis. Für einen Moment zog sich seine Kehle zusammen, und er hustete. Das Geräusch brach sich in einem Geschnatter von Echos.
»Ich sehe überhaupt nichts«, sagte er nach einigen Minuten in der Dunkelheit. »Ich werde die Lampen wieder anstellen, um noch mehr Aufnahmen zu machen.« Er griff nach den Schaltern, hielt inne und blinzelte. Direkt voraus brannte matt und gleichmäßig ein winziges rotes Licht, nicht mehr als ein Stern in der weiten Dunkelheit.
»Abwarten! Ich weiß nicht, ob das Video das aufnehmen kann. Es ist sehr schwach. Nur ein einzelnes rotes Licht, wie ein Nadelstich.«
Er beobachtete den Schimmer einige weitere Minuten lang. Alle Bewegungen, die er zu machen schien, waren leicht als optische Täuschung zu erklären. Das Licht änderte weder seine Lage noch seine Helligkeit. »Ich glaube nicht, daß das Schiff tot ist. Es wartet nur.« Dann schüttelte er den Kopf. »Aber vielleicht urteile ich vorschnell, nur wegen eines einzigen kleinen roten Lichts.« Er schaltete die Lampe auf seinem Handgelenk ein, brachte auf der Hasselblad ein Teleobjektiv an und stellte die Kamera auf lange Belichtungszeit ein. Dann stellte er sie auf die Kante des Zylinders, mit Richtung auf das rote Licht. Durch Fernbetätigung öffnete er den Verschluß. Nach vollendeter Aufnahme stellte er eine noch längere Belichtungszeit ein und machte noch eine. Dann schaltete er die Scheinwerfer wieder ein und setzte sich hin, um sein Gedächtnis mit so vielen Erinnerungen zu füllen, wie er nur konnte. »Alles ist ruhig«, sagte er.
Nach fünfzehn Minuten stand er wieder auf und wischte sich instinktiv die Hosen ab.
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