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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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gestört«, sagte Reslaw langsam. »Auch ich fühle mich nicht besonders wohl. Er hört sich nicht gut an. Mit ihm ist es anders.«
    »Ich bin anders«, bestätigte Minelli. Dann fing er an zu weinen. »Verdammt, bringen Sie uns wieder dahin zurück, wo die Steine sind! Lassen Sie uns in unseren Wagen steigen! Ich werde alles unterschreiben. Wirklich. Bitte!«
    Phan schaute sie alle an, wandte sich dann um und ging abrupt hinaus. Die Vorhänge summten wieder an Ort und Stelle. Edwards Schublade ging auf, und er entnahm ihr eine Zeitung und das neue Päckchen Infodiscs. Gierig las er die Schlagzeile von gestern früh.
    »O Gott«, murmelte er. »Sie wissen Bescheid über den Präsidenten, Stella!« Er tippte ihre Nummer auf der Sprechanlage. »Stella, sie wissen, daß der Präsident nach hier herausgekommen ist.«
    »Das lese ich gerade«, sagte sie.
    »Glaubst du, daß deine Mutter durchgekommen ist?«
    »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Wir können hoffen«, sagte Edward.
    Minelli weinte immer noch.

 
20
     
    Hicks lag gegen ein Kissen gestützt im Lincoln-Schlafzimmer. Ein fußhoher Stapel von Berichten lag auf dem runden Nachttisch neben ihm, und eine kleine Lampe in einer Glaskugel verbreitete ein sanftes Licht über die Meldungen. Die Pendule aus der späten Empirezeit auf dem marmornen Kaminsims tickte leise und gleichmäßig. Der große Raum mit hoher Decke wirkte auf anheimelnde Art verzaubert – verzaubert durch Geschichte und Beziehungen. Dies war ursprünglich das Arbeitszimmer von Abraham Lincoln gewesen. Hier hatte er die Proklamation der Sklavenbefreiung unterzeichnet.
    Hicks schüttelte den Kopf und sagte: »Ich bin verrückt. Ich bin gar nicht hier. Ich bilde mir all dies bloß ein.« Für einen Moment hoffte er verzweifelt, daß das wahr sein könnte, daß er in seinem Hotelzimmer im Intercontinental träumte, und daß er bald sechs Minuten lang oder kürzer für seinen Roman in einer weiteren Radio-Show Reklame machen würde, ehe ein anderer jüngerer Ansager…
    Andererseits – was war denn so unangenehm, wenn man ins Weiße Haus in Washington, D.C., gebracht wurde, vom Präsidenten der Vereinigten Staaten persönlich ausgewählt, um ihn bei dem größten Ereignis in der Geschichte der Menschheit zu beraten? »Der Mann hört nicht zu«, murmelte er.
    Hicks ergriff die oberste Meldung auf dem Stapel, ein dickes Bündel von Photokopien über die Stelle im Death Valley, den Gast und alles, was über das Gebiet in der Großen Victoria-Wüste bekannt war.
    Der vorläufige Autopsiebericht über den Gast lag an dritter Stelle im Haufen. Mit einer durch jahrelanges Recherchieren gewonnenen Fertigkeit überflog Hicks die ersten beiden Papiere und hielt nur bei wesentlichen Details inne. Die Berichte waren, nicht unerwarteterweise, ›sicher‹ – durch zweideutige Sprache, geschickt zurückgewiesene Theorien und prompte Hintergedanken durch und durch abgeschirmt. Nur der Autopsiebericht versprach konkret zu werden.
    Colonel Tuan Anh Phan, ein Mann, den Hicks gern kennenlernen würde, war klar und exakt. Die Physiologie des Gastes war keiner irgendeines Lebewesens auf der Erde ähnlich. Phan konnte sich kein Milieu vorstellen, das eine solche Physiologie hätte entwickeln können. Es gab Strukturen, die ihn immer wieder an technische Kurzschlüsse erinnerten, völlig ungleich den komplizierteren, nach Zufallsgesetzen entwickelten Strukturen, die die irdische Biologie aufwies. Seine Schlußfolgerung war in den folgenden Ausführungen keineswegs versteckt:
    »Der Körper des Gastes scheint nicht in dieselbe biologische Kategorie zu gehören wie die irdischen Formen. Einige seiner Merkmale stehen im Widerspruch zu vernünftigen Erwartungen. Als einzige Erklärung dafür kann ich nur anbieten, daß der Gast ein künstliches Wesen ist, vielleicht das Produkt jahrhundertelanger genetischer Manipulation in Verbindung mit komplexer Bioelektronik. Da diese Fähigkeiten weit jenseits unserer Möglichkeiten liegen, müssen alle Annahmen, die ich über die aktuelle Funktion der Organe des Gastes machen könnte, als unzuverlässig und vielleicht sogar irreführend angesehen werden.«
    Es folgte eine chemische Analyse der Gewebe des Gastes. Nirgends fand sich in ihnen eine Zellstruktur als solche. Vielmehr schien jedes Gebiet in dem Körper des Gastes über einen unabhängigen Stoffwechsel zu verfügen, der kooperierte, aber nicht Teil war, mit anderen Gebieten oder Organen. Es gab kein zentrales Entsorgungssystem.

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