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Schnee an der Riviera

Schnee an der Riviera

Titel: Schnee an der Riviera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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müssen ihn trotzdem noch einmal befragen.«
    Nelly wollte noch etwas hinzufügen, doch sie stockte, weil sie plötzlich eine Eingebung hatte, den Splitter einer Eingebung, den sie nicht zu fassen bekam. Dann schüttelte sie den Kopf. Manchmal kamen die Gedanken später wieder hoch, wenn man am wenigsten damit rechnete, als hätte der Suchauftrag ans Gehirn wie beim Computer im Unterbewusstsein weitergearbeitet, um schließlich das gewünschte Ergebnis auszuspucken.
    »Zeit, was essen zu gehen«, sagte sie beherzt und verdrängte die Schatten der Vergangenheit.

VIERTER TAG
Nachmittag
     
    Nelly aß ein bemerkenswert fades Brötchen mit Schinken, Rucola und Parmesansplittern. Oder lag es an ihr, dass sie nichts schmeckte? Sie saß im Kilt , dem Schnellimbiss im ersten Stock des Gebäudes, das sie seit jeher Augustuspalast nannte, nach dem Kino, das sich an der Ecke Corso Buenos Aires und Viale Brigate Bisagno unter den Arkaden befand. Gerolamo war nicht dabei, er war kurz nach Hause gefahren, weil Serenella krank war. Nelly versuchte, sich auf alles einen Reim zu machen, doch es kam nichts Sinnvolles dabei heraus. Während sie zwischen dem Brötchen und einem gemischten Salat mit Tomaten, Oliven und Ei hin- und herwechselte, brütete sie über den Puzzleteilen des Dramas, ohne auch nur einen Schritt weiter zu kommen. Sie warf einen Blick aus dem Fenster, und in dem Moment sah sie sie. Sie standen dicht und vertraut beieinander und redeten aufeinander ein.
     
    Obwohl er nur unwesentlich größer war als seine Begleiterin, beugte er sich aufmerksam zu ihr hinunter, um ihr zuzuhören. Kein Zweifel, das waren Gianandrea Pittaluga und Gudrun Fallari, Monicas Vater und Miriams Mutter. Nelly hatte die Szene mit einem Blick erfasst. Er war wie immer in britischem Stil gekleidet: makelloses, blaues Jackett, rauchfarbene Hosen, hellblaues Hemd, Schlips (womöglich von Bosisio), Schuhe von Fratelli Rossetti (zwar konnte man die Marke nicht sehen, aber Nelly hätte darauf gewettet). Er trug eine Ledertasche unterm Arm, die sicher allein Nellys gesamtes Monatsgehalt wert war. Die Frau – zuerst hatte sie die wie immer makellos frisierte rotblonde Mähne erkannt, die in einem seltenen natürlichen Tizianrot strahlte – trug ein malvenfarbenes Kostüm aus leichter Wolle, das, soweit Nelly sich erinnern konnte, perfekt zu ihren Augen passte, und eine rohseidene Bluse. Schuhe und Tasche aus Naturleder. Eine Brosche auf dem Revers (um die Form zu erkennen, standen sie zu weit weg). Sie verschwanden aus ihrem Blickfeld, und fast wäre Nelly aufgestanden, um ihnen zu folgen, doch die Sache erschien ihr dann doch zu heikel.
    »Wer weiß, wohin die verschwunden sind, so ein Pech aber auch«, dachte sie gerade genervt, als die beiden das Kilt betraten und noch immer lebhaft aufeinander einredend aufs Buffet zusteuerten. Nelly wünschte sich, unsichtbar zu sein und bemühte sich redlich, diesen Wunsch wahr werden zu lassen. Sie saß ein wenig abseits bei den großen Fenstern, und um sie herum war jeder Platz besetzt. Das Paar suchte sich etwas zu essen und zu trinken aus und balancierte seine Tabletts zu einem Tisch schräg gegenüber dem ihren und perfekt in Nellys Blickfeld. Nelly versteckte sich hinter ihrer Zeitung und fing seelenruhig an, die zwei zu beobachten. Die beiden konnten sie bestimmt nicht sehen, und außerdem schauten sie noch nicht einmal auf. Sie waren zu sehr ins Gespräch vertieft. Was hätte Nelly für eine Wanze, ein Mikrofon oder sonst irgendetwas gegeben, um sie zu belauschen!
    Eine Sache zumindest war von vornherein klar: die beiden hatten ein Verhältnis. Weibliche Intuition? »So kann man es auch nennen«, dachte sie bei sich. »So wie die sich ansehen, waren sie schon mal miteinander im Bett. Die machen nicht den Eindruck, als hätten sie’s noch vor sich, dafür wirken sie zu vertraut. Ich sollte meinen Beruf an den Nagel hängen und Romane schreiben«, sagte sie sich schmunzelnd.
    Die Phantasie gewann bei ihr häufig die Oberhand, und inzwischen wusste sie, dass das den Ermittlungen manchmal zuträglich war, sie manchmal aber auch auf Abwege führte. Deshalb bemühte sie sich, ihre mit dem gesunden Menschenverstand nur schwer zu vereinbarende Imagination im Zaum zu halten.
    Trotzdem war sie sich ganz sicher. Wer wusste, ob Federica dasselbe dächte, würde sie die beiden so zusammen sehen. Ob sie etwas ahnte, wusste ... Nellys Meinung nach war Federica für Sex völlig unempfänglich. Sie war einfach nicht

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